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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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verbracht. Dort stand eine durchaus bequeme Couch, und während sein Zimmergenosse mit einem Mädchen schlief, schlief Brazil mit seinen Büchern. Außer den Wachleuten, die ihn regelmäßig morgens gegen sechs Uhr aus dem Gebäude kommen, vorher aber nie hineingehen sahen, wußte niemand davon. Danach stieg er wieder in den ersten Stock des baufälligen Hauses in der Main Street hinauf, den er sich mit seinem Kommilitonen teilte. Zwar hatte Brazil in diesem Loch seinen eigenen kleinen Bereich, doch die Wände waren so dünn, daß es ihm schwerfiel, sich zu konzentrieren, wenn Jennifer und Todd nebenan aktiv wurden. Er hörte jedes Wort und jedes Geräusch.
    In seiner Collegezeit war Brazil gelegentlich mit Sophie aus San Diego ausgegangen. Er war nicht in sie verliebt, und gerade das machte sie völlig verrückt nach ihm. Es ruinierte ihr in Davidson gewissermaßen die Laufbahn. Erst nahm sie ab. Als das nichts half, nahm sie wieder zu. Sie fing an zu rauchen und gab es wieder auf. Sie erkrankte am Pfeifferschen Drüsenfieber und erholte sich wieder. Sie suchte einen Therapeuten auf und erzählte ihm die ganze Geschichte. All das hatte jedoch nicht die aphrodisierende Wirkung, die Sophie sich erhoffte. Im zweiten Collegejahr stabilisierte sich ihr Zustand, sie schlief in den Weihnachtsferien mit ihrem Klavierlehrer und beichtete Brazil dann ihre Sünde. Sie fingen an, in Sophies Saab oder in ihrem Studentenzimmer rumzumachen. Sophie war erfahren, hatte Geld und wollte Medizin studieren. Sie war nur zu bereit, ihm geduldig zu erklären, was es mit der Anatomie auf sich hatte. Und er war offen für alle möglichen Erkundungen, die er eigentlich gar nicht nötig hatte.
    Um ein Uhr schaltete Brazil seinen Computer ein und rief die Datei auf, in der seine Story über die Police Academy abgelegt war. In diesem Moment setzte sich sein Ressortchef neben ihn. Ed Packer war mindestens sechzig. Er hatte einen weit zurückweichenden weißen Haaransatz und auseinanderstehende graue Augen. Die Hemdsärmel hatte er aufgekrempelt, und dazu trug er eine wie immer aufs Geratewohl gebundene billige Krawatte. Er mußte einmal richtig fett gewesen sein, jedenfalls hatten seine Hosen gewaltige Ausmaße. Ständig fuhren seine Hände hinter den Hosenbund, um heraushängende Hemdenzipfel wieder an Ort und Stelle zu stopfen. Wie auch jetzt. Brazil sah ihn aufmerksam an. »Sieht aus, als sei das heute die Nacht der Nächte«, sagte Packer und stopfte.
    Brazil wußte genau, was er meinte. Triumphierend stieß er die Faust in die Luft, als habe er gerade die U.S. Open gewonnen. »Ja!« rief er laut.
    Packer konnte nicht anders, als einen Blick auf den Computerbildschirm zu werfen. Was er dort sah, weckte sein Interesse, und er zog seine Brille aus der Hemdtasche.
    »Ist so etwas wie ein Insider-Bericht über meinen Besuch auf der Academy«, erklärte Brazil eifrig. Er war ja neu und wollte gefallen. »Ich weiß, ich hatte dafür keinen Auftrag, aber.« Packer war durchaus angetan von dem, was er da las, und klopfte mit dem Fingerknöchel an den Bildschirm. »Dieser Absatz ist der zentrale Aspekt. Ich würde ihn weiter vorziehen.«
    »Genau. Genau.« Brazil war ganz aufgeregt, als er den Absatz markierte und nach oben verschob.
    Packer zog seinen Stuhl näher und schob Brazil etwas beiseite, um besser lesen zu können. Er scrollte den Text weiter und merkte, daß es eine ziemlich lange Geschichte war. Man könnte ein Feature für die Sonntagsausgabe daraus machen. Packer fragte sich, wann, zum Teufel, Brazil das alles geschrieben hatte. Während der letzten zwei Monate hatte er tagsüber gearbeitet und am Abend die Police Academy besucht. Schlief der Junge denn überhaupt nicht? So etwas war Packer noch nie begegnet. In gewisser Hinsicht machte Brazil ihn nervös. Neben ihm fühlte er sich plötzlich inkompetent und alt.
    Packer erinnerte sich daran, wie aufregend für ihn in Brazils Alter der Journalismus gewesen war, eine Welt der Sensationen. Während er weiterlas, sagte er zu seinem Schützling: »Ich habe gerade mit Deputy Chief Virginia West gesprochen, der Leiterin der Ermittlungsabteilung.«
    »Mit wem werde ich also fahren?« unterbrach ihn Brazil. Er war so wild darauf, Streife zu fahren, daß er kaum an sich halten konnte. »Um vier Uhr heute nachmittag erwartet West Sie in ihrem Büro. Bis Mitternacht werden Sie mit ihr unterwegs sein.« Was für ein Reinfall! Brazil konnte es nicht glauben. Er starrte seinen Vorgesetzten an, der ihm

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