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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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West nur von hinten, wie sie in ihre Maschinen tippten und an ihren Limonaden oder Cola Lights nippten. West hätte ihren Rang ins Spiel bringen und ihre Arbeit delegieren können, tat es aber nicht. Sie gab selbst die Vermißtenmeldung an das NCIC weiter.
    Eine Zeitlang kreuzten sie und Brazil um den Midland-Komplex herum und hofften, daß ihnen der kleine pickelige Adoptivsohn mit der Hornets-Kappe über den Weg lief. Langsam fuhren sie an Gruppen von Jugendlichen vorüber, die unter Laternen an Straßenecken lungerten und ihnen haßerfüllte Blicke zuwarfen. Von Wheatie keine Spur. Im Laufe des Abends hatte Brazil so eine Art Beziehung zu ihm aufgebaut. Er stellte sich das elende Leben vor, das Wheatie führte, seine Einsamkeit, seine Wut. Welche Chance hatte so ein Junge schon im Leben? Nur schlechte Beispiele rundherum und Cops, die wie Cowboys bloß darauf warteten, ihn mit dem Lasso einzufangen.
    Zwar war auch Brazils Kindheit kein Zuckerschlecken gewesen, aber hiermit war das wirklich kein Vergleich. In seiner Nähe hatte es Tennisplätze gegeben und nette Nachbarn. Für die Sicherheitsleute im Davidson war er wie ein Familienmitglied gewesen. In ihrem kleinen Backsteinrevier war er stets willkommen gewesen, um ihren Geschichten, ihrem Tratsch und ihren Übertreibungen zu lauschen. Wenn er hereinkam, hatten sie ihm immer das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. So war es auch im Waschsalon mit seinem Hängeboden und dem undurchdringlichen Gewirr von rostigen Drahtbügeln gewesen, die die Studenten dort im Lauf der Jahre hinaufgeschleudert hatten: Doris, Bette und Sue hatten während ihres Dienstes dort stets Zeit für Brazil gehabt. Und das galt auch für die Snack Bar, den M&M-Getränkeladen, die Buchhandlung, überall wo er hinkam, eigentlich.
    Wheatie hatte nie solche Erfahrungen gemacht, und dabei würde es wahrscheinlich auch bleiben. Während West einen Autofahrer wegen eines nicht angelegten Sicherheitsgurts verwarnte, trieb Wheatie sich mit seinen Idolen in den Slums hinter der Beatties Ford Road herum. Drei Freunde waren sie, alle erheblich älter als er selbst. Sie trugen enorm weite Hosen, riesige Schuhe und hatten dicke Dollarbündel in den Taschen. Sie lachten, begrüßten andere mit erhobenem Arm und Handschlag und schwebten auf Dopewolken. Es war wirklich ein toller Abend. Für einen wunderbaren Augenblick war diese hohle, schmerzende Stelle in Wheaties Herz ausgefüllt, und er fühlte sich wohl.
    »Gib mir eine Kanone, ich will für dich arbeiten«, sagte er zu Slim.
    »So ein Winzling wie du?« Slim lachte. »Nee.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn ich dir einen Job gebe, kommt doch einer her und versohlt dir den Hintern. Und ich gehe leer aus.«
    »Quatsch«, sagte Wheatie im Brustton der Überzeugung. »Ich laß mich von niemandem übers Ohr hauen.«
    »Und ob«, sagte Tote.
    »Und ob«, echote Fright und klopfte Wheatie dabei auf den Kopf.
    »Oh, Mann, ich brauche was zu essen«, sagte Slim, der einen Ochsen vertilgen konnte, wenn er high war. »Nehmen wir uns Hardee's vor?«
    Er meinte das wörtlich. Slim und seine Kumpane standen unter Drogen und waren bewaffnet, und die Idee, Hardee's auszurauben war genausogut wie alle anderen, die sie an jenem Abend gehabt hatten. Alle klemmten sich in seinen roten Geo-Geländewage n. Sie fuhren los, das Radio so laut aufgedreht, daß noch fünf Wagen weiter das Vibrieren der Bässe zu spüren war. Während der Fahrt dachte Wheatie, wie stolz Jerald in diesem Augenblick auf ihn wäre. Er wäre sicher beeindruckt von Wheaties Kumpels. Wheatie hätte Jerald gern Slim, Tote und Fright vorgestellt. Und die würden dann verdammt weniger großspurig tun und Wheatie etwas mehr respektieren. Ja, verdammt, ganz bestimmt. Er sah aus dem Fenster. Autos glitten vorbei. Telefonmasten standen am Straßenrand. Sein Herz schlug höher. Jetzt wußte er, was er zu tun hatte. »Gebt mir eine Kanone, und ich mache den Job«, sagte er so laut, daß es auch über die Heavy-Metal-Musik hinweg zu hören war. Slim am Steuer lachte wieder und warf ihm über den Rückspiegel einen Blick zu. »Tatsächlich? Hast du schon mal einen Coup gelandet?«
    »Ja, bei meiner Mutter. Hab ihr ein paar verpaßt.« Alle lachten.
    »Oh, er hat seine Mutter geschlagen! Ei, ei! So ein böser Junge!« Sie brachen in schallendes Gelächter aus. Slim überholte, scherte ein, wechselte die Fahrspur. Fright zog seinen auf Hochglanz polierten Revolver heraus. Ruger .357 Blackhawk mit sechzehn

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