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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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einen Diamantring im Ohr und besaß einen schwarzen Wagen mit Vierradantrieb und rotgelben Zierstreifen. Er würde neben Wheatie stoppen, und Wheatie würde seine Nummer abziehen. Er würde weitergehen, üble Reden schwingen, sich cool geben, ganz wie Jerald. Anschließend würde er Luellen beschimpfen und sie vielleicht auch schlagen. Oder Marihuana rauchen. Ganz wie Jerald. Sie hörte Schritte auf der Treppe und rief laut, um auf sich aufmerksam zu machen.
    »Polizei«, antwortete eine Frauenstimme.
    Luellen schob einen dicken Block Schlackenstein von der Tür weg und entfernte ein Moniereisen, das sie auf einer Baustelle gefunden hatte. Auch die Hintertür hatte sie mit solchen improvisierten Sicherungen verbarrikadiert. Selbst wenn es Jerald oder seinen üblen Freunden gelänge einzudringen, würde sie es jedenfalls früh genug hören, um ihre mattschwarze Pistole, eine neun Millimeter Baretta 92F mit TritiumNachtsichtvorrichtung, Holzgriff und Fünfzehn-Schuß-Magazin hervorzuholen. Jerald hatte ihr die von ihm abgelegte Waffe gegeben und damit sicherlich einen großen Fehler gemacht. Sollte er wirklich einmal an ihre Tür klopfen, wäre das wohl seine letzte Aktion.
    »Kommen Sie herein«, sagte Luellen zu den beiden Cops, die inzwischen die oberste Stufe der Steintreppe erreicht hatten. Brazils Augen gewöhnten sich langsam an das grelle Licht, das die nackte Birne einer Plastiklampe mit dem Aussehen einer griechischen Säule ausstrahlte. Über den Bildschirm eines kleinen Fernsehers flimmerte ein Baseballspiel zwischen den Braves und den Dodgers. In einer Ecke vor der nackten Wand stand ein tragbarer Radiorecorder, und auf einem ungemachten Bett im Wohnzimmer saß ein kleines Mädchen. Sie hatte Zöpfe und traurige Augen. Es herrschte eine unerträgliche Hitze, und Brazil brach der Schweiß aus. Nicht anders ging es West. Sie hatte ein endlos langes Formular an ihrem Klemmbrett befestigt und bereitete sich auf einige Schreiberei vor. Luellen erzählte der Polizistin alles über Wheatie, auch daß er adoptiert und entsetzlich eifersüchtig auf Tangine und das ungeborene, noch namenlose Baby war.
    »Er hat Sie angerufen, nachdem er den Bus verpaßt hat«, wiederholte West, ohne ihre Schreibarbeit zu unterbrechen. »Wollte, daß ich ihn abhole. Ich sagte, ich kann nicht«, antwortete Luellen. »Als ich das letztemal schwanger war, ist er auf mich draufgesprungen, und ich habe das Baby verloren. Damals war er fünfzehn. Wie ich schon sagte, er war immer voller Haß, weil er adoptiert ist. Vom ersten Tag an hat er mir Ärger gemacht.«
    »Haben Sie ein Foto von ihm?« fragte West. »Ist noch eingepackt. Ich weiß nicht, ob ich es finde.« Die Mutter beschrieb Wheatie als klein und pickelig. Er habe Adidas-Schuhe an, trage die sackartigen Jeans auf Halbmast, ein entengrünes T-Shirt und eine Baseballkappe der Hornets. Ein Haarschnitt sei längst fällig. Er könne überall sein, und Luellen mache sich Sorgen, daß er in schlechte Gesellschaft geraten und in Kontakt mit Drogen kommen könne. Brazil tat Tangine leid, die völlig bedeutungslos zu sein schien. Fasziniert von diesem blonden Mann in seiner tollen Uniform mit all dem glänzenden Leder, war sie von ihrem Bett heruntergeklettert. Er griff nach seiner Stablampe und ließ den Lichtstrahl über den Boden huschen, als spiele er mit einer Katze. Tangine begriff nicht, was das sollte, und bekam Angst. Sie fing an zu weinen und schien auch nicht aufhören zu wollen, als die Polizei wieder ging. Die Mutter sah Brazil und West nach, wie sie sich in völliger Dunkelheit die Treppe hinuntertasteten.
    »Nette Art, sich fortzubewegen«, meinte West zu ihrem Partner. Tangine jammerte und schrie ohne Unterbrechung. Brazil verpaßte eine Stufe und landete auf dem Hosenboden. »Ich würde Licht machen, wenn es welches gäbe«, rief Luellen ihnen von der Tür aus nach.
    Die nächsten zwei Stunden verbrachten sie im Schreibraum. West war noch immer mit dem Ausfüllen von Formularen beschäftigt. Sie hatte keine Ahnung gehabt, daß es heutzutage so viele waren. Von den Kollegen, die in dieser Nacht hier mit ihr zusammensaßen, kannte sie keinen persönlich. Sie benahmen sich unerzogen und schienen nicht geneigt, Wests Rang zu respektieren. Litte sie an Paranoia, dann hätte sie eine Verschwörung vermutet, daß jemand die Leute animiert hatte, dem Deputy Chief das Leben schwerzumachen, damit sie ihre Nase gefälligst in ihre eigenen Angelegenheiten steckte. Die meisten sah

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