Die Hosen Des Herrn Von Bredow
die Flügel sinken und zogen die Köpfe in's Gefieder und nickten auf den Zweigen, bis Alles nickte, alles zu schlafen schien, die Blätter, die Sträucher. Die Würmer nagten nicht im Holz, die Frösche schrieen nicht mehr. O da wär's mir auch lieb gewesen, so einzuschlafen, und da kam es –«
»Du wachtest auf.«
»So denk ich, muß Einem sein, der vom Blitz getroffen ward. Ich wachte nicht, ich schlief nicht; ich konnte mich nicht regen, ich war aber auch nicht gebunden. Als wie ein Quell, der durchbricht, war es; so sickerte, pulste und strömte es durch die Adern mir; o nun fühlte ich, nun sah ich, was ich nicht aussprechen kann.«
Agnes senkte erröthend die Augen.
»Es war etwas gesprengt wie ein Eisenband, das um die Brust mir gelegen; wie auf einen hohen Thurm war ich gehoben und sah weit umher die Wege, Felder, Städte, die Pfade, wo ich gegangen, die Mauern fielen, die Berge sanken vor meinem Blicke.« Da war mir unaussprechlich wohl und weh. Es war eine andere Luft, ein anderes Wehen, so rein durchströmte es mich. Wie gern hätte ich mich da oben gehalten in der Herrlichkeit; selbst die Thorheit, die ich hinter mir sah, war nur wie ein leiser Schattenstreif, der in Nichts verschwindet, wenn die Sonne zur Mittagshöhe steigt. Ich hätte fliegen mögen; aber dann war ich plötzlich von der schönen luftigen Höhe versunken, tief, tief unten. Lag wieder angeschmiedet, angelöthet an den Felsblock; wie schwer waren die Glieder, ringsum Nacht, Wüste, Grauen. Die Raubvögel reckten wieder ihre Hälse. Was jagte, was tobte, was tanzte um mich! Ein Zug, der kein Ende nehmen wollte. Alle meine Thorheiten, aller Schabernack, den ich im Muthwillen verübt, ach den ich längst vergessen hatte, jeder eitle Wunsch, jeder dumme Spaß schoß vor mir auf, ein seelenloser Kobold, der seine Künste zeigen wollte. Da gingen ein Paar Stelzen mit weißen Betttüchern und verfolgten ein armes Weib, das vor ihnen floh. Sie stürzte auf mich zu, sie rief um Hülfe. Ach ich war es ja selbst, der sie jagte. Da summte eine Bremse um mich, immer weiter und immer größer, jetzt ward's ein Kalb, das ich geneckt und gequält, jetzt ein Pferd, das athemlos um mich galoppirte. Das arme Thier, es keuchte, gern hätte ich's gehalten; aber ein Paar Sporen schlugen blutig tief in seine Weichen. Es waren meine Sporen; ich hatte es zu Tode geritten aus Uebermuth. Da flogen bunte Mützen durch die Luft, Faugebälle der Kobolde; ich konnte sie nicht bunt genug haben, nicht oft genug wechseln. Hupp, hupp, da tanzten ein Paar Locken! Der Adelheid Marwitz ihre, die konnt ich nun gar erst nicht aus den Augen kriegen. Und dann Wirbel und Wirbel. Ach die Weisen, an denen ich mich sonst nicht satt hören konnte, summten und summten ohne Aufhören, daß ich wünschte, die Wölfe möchten nur wieder heulen, damit das wüste, dumpfe Einerlei fort wäre. Da galoppirte ich hinter dem Ritter Lindenberg, und der helle Angstschweiß stand mir auf der Stirn; nun sah, nun wußte ich ja, wie schlecht das war, und doch mußte ich ihnen nach und immer nach, und sie lachten mich aus, und nun konnte ich mich wieder nicht rühren, und oben glänzte die Morgensonne auf die lichte Thurmhöhe, wo ich gewesen, und ich reckte meine Arme verlangend hin; aber eine Stimme rief: »Was willst Du hier? Dein höchster Wunsch ist da!« Und vor mir faltete sich's aus, was erst aussah, wie eine Binsenmatte, dann ward es bunt, weit, Bänder und Puffen, die Pluderhosen des Krämers. Als führe ein Wind hinein, blähten sie sich, sie wurden wie ein Baum, wie ein Thurm bis zu den Wolken, ein scheußliches Gespenst, und heraus rutschte es, eins, zwei, drei, wieder and're Hosen, kleine, große, o zehn, hundert, tausend und sie faßten sich an und tanzten um mich im Reigen. Immer enger, immer enger. Ich meinte, vor'm Staube zu ersticken, bis ich aus der gepreßten Kehle um Hülfe schrie. Da rief die Stimme: »Was willst Du Hülfe vor dem, was Deine Wonne ist! Ging doch Dein Sinnen und Trachten nur nach dem Eitlen. Wer schaalem Witz und hohlem Spaß sein Lebelang nachläuft, der kann in unsrer Luft nicht athmen. Der Staub, den die Sohlen der Tänzer aufwirbeln, ist Dein Aether. Zum Ländler wurde ja Deinem Ohre der Chorgesang der Engel!«
Der Kranke athmete schwer auf, und die Lippen bewegten sich, ohne Töne vorzubringen. Agnes faltete die Hände über ihm zu einem stummen Gebet. Als lauschte er mit Wohlgefallen den Tönen, die noch über ihre Lippen kamen, winkte er ihr zu. Er
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