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Die Hosen Des Herrn Von Bredow

Titel: Die Hosen Des Herrn Von Bredow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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der Luft schweben, dann senkte sie sich langsam, bis Eva mit einem leichten Sprung die Spitze ergriff, und mit einem Male lag sie auf der Erde. »Hans Jürgen, sie spaßten ja; das Ding aber ist zu schwer zum Spaß.« Hans Jürgen stand wie Einer, der mit Wasser begossen ist, es muß aber nicht sehr kalt gewesen sein. Er fror nicht, da ihn Eva bei beiden Ohrläppchen faßte und etwas links und etwas rechts zauste. Was sie dabei sprach, hörte Keiner; muß aber auch nichts Böses gewesen sein, denn sein Gesicht ward immer freundlicher.
    Der Hausherr fortgeschleppt, Gott weiß wohin, Gott weiß wozu; das Haus voll Landreiter, die das Unterst zu Oberst kehrten; Streit, Zank, Blut sogar; die Seeraben; der Meister Wundarzt, ein Neffe und künftiger Schwiegersohn halb todt oder geistlich; ach, und noch mancherlei Gedanken, die auch die frommste Frau um ihre Ruhe bringen. Was konnte da noch Leides hinzukommen! Und doch kam es. Ein Schrei aus der Thorstube. Hans Jochem war der Verband aufgegangen, und das war auch noch nicht das Schlimmste; der Wachtmeister, der so was zu flicken verstand, wie er sagte, verband ihn wieder. Aber Ihre Tochter Agnes, die stand da wie ein Bild aus Stein, das sie an die Wand gelehnt. Sie hatte es gesehn, wie das Blut spritzte, und sah noch drauf, wie mit gläsernen Augen, und konnte nicht den Arm rühren, noch den Kopf bewegen. »Das ist am End noch schlimmer,« dachte Frau von Bredow.
    Ein Starrkrampf geht schon vorüber, aber das kleine Herz schlug so stark nachher; dafür, dachte Frau von Bredow, muß ein Mittel sein, und schnell. Sie hatte sich den ganzen Abend mit der Tochter eingeschlossen, und Agnes lag auf ihren Knien wie ein Beichtkind vor der Mutter Schooß, und nun ihre Hand küssend, sagte Agnes: »Ja, so wird's am besten sein, Mutter.« – »Und morgen in der Frühe, daß Du ihn nicht wieder siehst.« – »Nein, Mutter,« sagte Agnes, »ein Mal noch, ein mal noch, das hab' ich ihm versprochen, das muß ich. Wir sehn uns ja dann nimmer wieder.«
    Die Mutter hatte den Kopf geschüttelt, aber doch nicht Nein gesagt. Wie hätte sie's auch mögen! Mit dem Knecht Ruprecht sprach sie am Abend noch vielerlei:
    »'S ist besser so, Ruprecht, Du bleibst hier. Das versteht der Kasper besser. Erst bringt er, verstehst Du, mein Kind nach Spandow und dann die Würste nach Berlin.«
    »Und der Junker?«
    »Reitet mit nach Spandow. Dann sind wir den auch los, hier finge der Ungeschick doch wieder neue Stänkerei an,« wobei Frau von Bredow tiefer als sonst aufseufzte.
    Der kluge Knecht Ruprecht sagte im Hinausgehn: »Wie Gott es fügt. Der Mensch will Manches zusammenthun, und dann geht's doch auseinander, und was er zerschneiden will, das thut sich von selbst zusammen.«
    »Das wäre ja schreck–«, fing Frau von Bredow an, aber sie verschluckte das Wort wieder und faltete ihre Hände zu einem stillen Gebet.
    Auch Agnes schien ein langes Gebet geendet zu haben und fühlte dann mit der einen kleinen Hand auf die Stirn des Kranken, der jetzt wieder sein Auge aufschlug. Er hatte zu viel vorhin gesprochen, daß er wieder unmächtig auf's Kissen zurückgesunken war.
    Der Morgen graute unheimlich durch das verhangene Fenster in das Krankenstüblein; ein Hahn fing schon an zu krähen und die Rosse stampften vor dem Wagen, den der Knecht Kasper anschirrte. Agnes saß im grauen Reisehabit, den Schleier um die Kappe; sah sie doch schon fast aus wie eine fromme Schwester, die der Welt ihr Valet gesagt, und das blasse Gesicht war doch nur das eines freundlichen Kindes.
    Nun sahen sie sich an wie zwei liebe, gute Freunde, die sich trennen müssen; er reichte ihr die Hand.
    »Das ist lieb von Dir, daß Du noch da bist.«
    »Du wolltest mir ja noch sagen, wie Alles so gekommen ist.«
    »Ach Agnes, noch flimmert mir's vor den Augen wie Einem, denk' ich mir, sein muß, der lange, lange blind war, und plötzlich gehn ihm die Augen auf, und grade geht auch die Sonne auf; das sticht, glänzt, tanzt um ihn. Es ist Einem so wohl und auch so weh.«
    »Daß die Wölfe nur nicht ran kamen, wie Du da lagst, das freut mich.«
    Er athmete tief auf, dann hub er an: »Der Schmerz war wohl schrecklich, aber es ward gleich Nacht um mich. Das Blut, das aus der Wunde floß, kam mir wie ein Balsam vor, der sanft um die Glieder leckte. Da hörte ich auch nicht mehr die Wölfe heulen, auch die Raubvögel in den Aesten, die ihre Flügel schlugen und mit den feurigen Augen und den grimmigen Schnäbeln gierig auf mich schauten, ließen

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