Die Hosen Des Herrn Von Bredow
die haben mehr Verstand, als mancher Mensch. Wie der vornehme Ritter letzte Nacht ausritt und unser Junker mit, da flog die Alte mit den beiden Jungen ihnen nach, und kreisten um ihre Köpfe. Ich sah scharf zu. Als sie schon im Walde verschwunden waren, die Raben waren immer oben in der Luft. Na, nu haben wir's, den Junker Peter Melchior schüttelt das Fieber, unser Hans Jochem brach's Bein, der Herr von Lindenberg, daß weiß ich nun nicht –«
»Schäm' Dich was, Ruprecht! – Sag' mal, als mein Herr rausgeführt ward –«
»Da saßen sie wieder auf ihrem Nest und guckten raus. Hat sich auch keiner gerührt.«
»Gottes Güte ist doch groß!« sagte Frau von Bredow, Athem schöpfend, und fuhr mit dem Finger etwas über's Auge. »Mein armer Götze, wo mag der sein! Der ist verloren, wenn nicht der Herr von Lindenberg sich seiner annimmt. – Gott, ach Gott, wer giebt ihm da zu essen, und wer wärmt ihn, wenn er friert! Du sollst nach Berlin fahren, Ruprecht. Will zwei Kober mit Würsten packen; auch 'ne gesülzte Gans sollst Du mitnehmen. Und dann fährst Du beim Herrn von Lindenberg vor – so schlecht wird er doch nicht sein! Ich trau' ihm eigentlich nicht viel. Aber das thut er schon. Auch seine Friesjacke und die wollenen Strümpfe, und wenn Du ihn siehst, dann sage ihm –«
Ach es gab so viel zu sagen und zu sorgen für die arme Frau. Der Meister Hildebrand wollte auf seinen Klepper steigen und fortreiten: »Sterben, ja das wird er schon,« sagte der Meister, »wir müssen Alle sterben, je wie's kommt; Einer früher, der Andere später; aber zum Trauertuch kaufen ist noch nicht Zeit, gnädige Frau. Lieber graues, auch weißes oder braunes, je wie's kommt. – Wird er ein grauer Bruder, graues, wird er ein Cistercienser, weißes. Rekommandire meinen Schwager in Brandenburg, dem Roland gegenüber, hat ausgesuchtes Zeug, für weltlich und geistlich, je wie's kommt.«
»Meister, der Hans Jochem geistlich! Ach du meine Güte!«
»Ist gut für's Haus, Gnädige, wenn man sich Einen zuzieht aus eigener Sippschaft. Für allerhand Fälle, zum Trauen, zum Taufen, zum Sterben auch, je wie's kommt. Auch zum Beichten! Wer vertraut's denn jeder Kapuze gern in's Ohr, was man im Herzen hat!«
»Der Hans Jochem im Beichtstuhl!«
»Kann auch auf den Bischofsstuhl mal kommen, wer weiß das Alles! Hinken wird er sein Lebtag. 's hat mancher Bischof gehinkt, mancher Kurfürst und mancher König, je wie's kommt. Wir gehen Alle der Grube zu. Wer läuft, kommt schneller, wer hinkt, kommt langsamer an.«
Da war wiederum Lärm in der Halle, als der Meister kaum aus dem Thore war. Hans Jürgen stürzte heraus, blutig. Er schrie nach Waffen und Rache. Es wär' zum Schlimmen gekommen; und der kluge Knecht Ruprecht, ja selbst die Frau von Bredow hätte den tollen Jungen nicht zur Ruhe gebracht, und da fehlte nur ein Funke, daß es überall aufflackerte. Hatte sich Einer unterstanden, Eva Bredow »ein schmuck Blitzmädel« zu nennen oder gar Aergeres, ich weiß es nicht. Hans Jürgen mußte es doch gehört haben; konnte er's ertragen! Und als er mit der Faust auf den Tisch geschlagen, flog's ihn an, und ihm floß Blut.
»Die Schandmäuler!« riefen die Diener. »Wär's noch Ensereins, aber unser Frölen!« »Und unser Junker blutet«, schrieen Andere. – »Er ist verwundet.«
»Selbst verwundet,« beschwichtigte der kluge Knecht Ruprecht, der Hans Jürgen unterfassen wollte, »schlug mit der Hand in die Scheiben.«
»In ihre Hirnschädel will ich schlagen,« und er hatte nach einer Stange gegriffen.
»Hans Jürgen, Wetterjunge!« rief die Burgfrau und faßte nach der Stange, die er wie eine Lanze in der Luft schwang. »Das sind des Kurfürsten Leute.«
»Schlimmers!« flüsterte Kasper ihm in's Ohr. »Sind unadlich und unehrlich. Büttelsknechte, nicht viel besser.«
Hans Jürgen gingen die Worte doch immer sehr verdrossen ab, wie einem Brunnen, wo man lange pumpen muß, dann erst kommt etwas Wasser. Die Landreiter mußten gut gepumpt haben, denn als er die Stange über sich mit beiden Händen wirbelte, fuhr es, wie ein Fluß aus den Bergen heraus: »Kurfürst hin, Kurfürst her! So soll doch das Kreuz-Himmel-Donnerwetter drein schlagen.« Aber da er der Base den Rücken wandte, schlug er nicht los, weil Eva vor ihm stand, die beiden kleinen Arme in ihren Hüften: »Hans Jürgen, willst Du mich schlagen?« schien ihr schelmischer Blick zu sprechen, und was sonst wohl ihre Augen sprachen. Die Stange blieb zuerst ein Weniges in
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