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Die Hosen Des Herrn Von Bredow

Titel: Die Hosen Des Herrn Von Bredow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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hatte die Sprache wieder gewonnen:
    »So sah ich Dich da in Deinem Kämmerlein, so hast Du für mich gebetet. Du warst aus Deinem Bett gehuscht, über der Schwester Bett beugtest Du Dich, ob sie schliefe, dann warfst Du Dich vor das Betpult; durch die zerbrochene Fensterscheibe wehte der Wind und lüftete das Tüchlein an Deiner Schulter –«
    Sie wollte ihm die Hand vor den Mund halten: »Heilige Mutter Gottes –«
    »Die sah es auch und lächelte. Sie war es, die Dich geweckt. Ich allein, Agnes, o wer hätte mein Gebet gehört! Die heiligen Schutzpatrone, die den andern sündigen Menschen helfen, wandten mir den Rücken. Da hätte ich gelegen, bis mein Blut erstarrt war, bis die Wölfe – ich wäre ja ohne Heiligung, ohne Erkenntniß aus der Nacht hinübergegangen in die Ewigkeit. Die Liebe nur that es, die nicht gerechnet und nicht gefragt. Du schwebtest, ein Engel mit dem Palmenzweig, durch den Spuk. Du winktest, da betete ich zuerst, da wichen die häßlichen Bilder, Du reichtest mir die Hand, da löste es sich, athmete ich wieder, da hob ich mich auf, da –«
    Er hörte wieder nicht, was sie in ihrer Herzensangst sprach, daß er nicht lästern solle, daß die Heiligen allein den Hans Jürgen und den Ruprecht durch die Wildniß zu ihm geleitet, daß er gesund werden würde, wenn –. Seine Pulse schlugen so laut, seine Stirn brannte.
    »Der Wagen steht angespannt. Ich hör die Rosse stampfen,« flüsterte sie, »Hans Jürgen wartet auch.«
    »Worauf?« fuhr der Fieberkranke auf. »Daß der Blitz Niederschlag in die trockene Wüste? O Agnes, ich allein kann's nicht, Du mußt mir helfen.«
    »Ich nicht, lieber Hans Jochem, bete zur Jungfrau Maria. Die wird Dir helfen.«
    »Mir! Mir ist geholfen. Ich trank aus dem vollen Becher der Gnade. Aber die Andern, die noch dürsten, für die laß' uns beten, für die Armen im Sande, und sie wissen nicht, was ihnen fehlt; denke doch, sie Alle denken nichts! Hans Jürgen nicht der Vater nicht – die Mutter nicht! In das Leben hinein, wie der Maulwurf – Und sie fühlen nicht den Durst, das ist das Entsetzlichste!«
    »Der Herr wird ihnen schon zu trinken geben.«
    »Wo ist der, der an den Fels schlägt! – Ich stand auf dem Felsen, Agnes,« sprach er leise, sie mit krampfhaftem Druck an sich ziehend. »Du mußt mich nicht verrathen. Ich sah hinter mich in die Wüstenei. Ach, das sah gräßlich aus. Die schaukelten sich wie die Halme im Winde; die krochen hin und her, wie die Ameisen; die wirbelten und tanzten wie die Wassermücken im Sonnenstrahl. Alle wie die Thiere, die nach der Atzung wittern, den Kopf zur Erde und Keiner, Keiner die Augen nach der Sonne.«
    Das arme Mädchen und der Fieberkranke allein! Sie drückte ihm sanft seinen aufgerichteten Leib an die Kissen. Seine Hände glühten nicht so als sein Auge.
    »Wir wollen für sie beten, Hans Jochem, gleich zum lieben Gott. Die Heiligen werden es uns wohl verzeihen –«
    »Wir sind die Erwählten! – Wenn wir mit einander beten, öffnet sich das Himmelsthor.«
    »Mutter Gottes, verzeih ihm die Sünde!«
    »Die lächelt herab auf uns, daß wir –« Die Ruhe schien einen Augenblick auf sein Gesicht zurückzukehren. – »Du und ich, wir gehören zu einander und haben uns nicht gefunden. Das geht wohl so in der Wüste. Der Staub verwirrt auch die Erwählten. Nun erst, da wir hinaus sind, da ist's zu spät, meinst Du. Nein, Agnes! Wenn Du im Chor zu Spandow auf den Knieen liegst, lieg' ich auch auf den Knieen – wo – wo doch? – O Du wirst von mir hören! – Was von mir hören! Du wirst deutlich hören mich beten, siehst mich knieen, die Mauern zwischen uns sinken. Wir sehen uns Beide an, wie die seligen Märtyrer auf den Bildern mit süßen Liebesblicken –«
    »Ach Himmels-Königin! Hans Jochem, das ist arge Sünde –«
    »Sünde!« rief er mit dem zufriedenen Lächeln eines Irren. »Uns kann sie nicht mehr berühren. Wir sind Erwählte, berufen, die Andern zu retten. – Sie schwimmen im Meer, das ist das Leere – sieh, sieh die wenigen Wasserbläschen, die sich herausringen, o Gott, das sind die Gedanken; fischen wir – Netze hinein – eine Angel mit süßem Köder – Agnes, sieh, wie schwer ich ziehe – hilf mir – nun – nun –«
    Was ihr nicht gelungen, wirkte die Erschöpfung. Er sank ohnmächtig zurück.
    »Agnes!« rief der Mutter Stimme. »Agnes!« wiederholte Hans Jürgen.
    Sie riß sich los; aber wandte sich wieder um, und zitternd hauchte sie einen Kuß auf die Stirn des

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