Die Hosen Des Herrn Von Bredow
Ohnmächtigen. »Mutter Gottes sieh es nicht! – Mutter Gottes, verzeihe ihm und mir die Sünde!«
Achtzehntes Kapitel.
Unterricht im Denken.
Wenn die großen Wagenräder sich durch den tiefen Sand mühsam Bahn brachen, und Kaspar abgesprungen, und bald den Falben, bald den Schecken klopfte und Scherznamen ihnen in's Ohr rief, ritt Hans Jürgen neben dem Wagen, und neigte seinen Kopf zur Muhme.
Schien's ihm doch bisweilen, wenn sie sprach, Agnes wäre um zehn Jahre gewachsen, und war doch kaum fünfzehn Jahre alt. Sie hatte anfangs viel geweint, und das war Hans Jürgen ganz recht, denn ihm war gar nicht zu Muth, daß er mit einem hätte freundlich sprechen sollen. Nachdem sie aber die Thränen getrocknet, sprach sie so vernünftig, das macht wohl die Weihe, dachte er, die wirkt schon zum voraus. Da hatte sie ihm gesagt, daß ihr der Abschied wohl schwer geworden, von ihrer lieben Mutter und lieben Schwester und allen ihren lieben Blutsfreunden, nun aber sei es überwunden, und da sei sie recht herzlich froh, denn nun könne sie erst recht für sie Alle leben.
Das verstand Hans Jürgen Anfangs nicht, denn was konnte sie denn, im Kloster eingesperrt, für die in Hohen-Ziatz thun, bis sie's ihm erklärte, daß sie für ihr Seelenheil beten werde, Tag für Tag.
»Ja, es mag schon gut sein,« sagte er, »so einer aus der Sippschaft geistlich wird, und für uns betet, denn wir draußen auf dem Lande haben doch nicht Zeit.«
Agnes meinte, dazu müsse jeder die Zeit finden. Hans Jürgen aber zählte ihr auf, was Einer wie er, zu thun habe, von wenn die Sonne aufgeht, bis sie untergeht, und wenn er's verrichten thäte, wie die Edelfrau es wolle, dann könne er bei Tage gar nicht dazu kommen, an den lieben Gott zu denken, und des Nachts sei er zu müde. Das sei auch des Dechanten Meinung, daß man den Geistlichen das überlassen müsse; wozu wären sie auch sonst da? Und von dem Ueberschuß der guten Thaten der Heiligen könne mancher ehrliche Mann selig werden.
Dazu mußte nun Agnes wohl schweigen, wenn sie keine Ketzerin sein wollte, und die Vorstellung, daß sie selbst eine Heilige werden, durch ihre guten Thaten ihre Verwandten dereinst selig machen könne, mochte sogar für ihre Einbildungskraft etwas Lockendes haben. Aber ganz wollte es ihr doch nicht zu Sinn, und ihre künftige Würde erlaubte ihr schon ein wenig zu predigen. Wozu wären denn die Kanzeln und die Predigermönche und Pfarrer, wenn die Heiligen mit ihren Werken allein es thäten? Und da kam ihr zu Sinn, was der Verwundete zuletzt gesprochen von dem wüsten Leben und der Gedankenlosigkeit.
Nun gab sich das gute Kind rechte Mühe, ihren Vetter auf Gedanken zu bringen, und zwar auf gute; aber aus seinen Antworten sah man, daß er wenigstens zu einem Heiligen nicht viel Anlage hatte.
»Das ist schon ganz recht, Agnes, was Du sagst von der Geschichte neulich, und ich hab's mir schon selbst gesagt, daß es unrecht war. Nun aber hat's der liebe Gott so gefügt, wie's sein mußte. Hans Jochem brach ein Bein, und ich mußte nach den Hosen. Also hat's der liebe Gott allein und für sich gemacht, daß wir keine Sünde begangen haben, siehst Du, der macht es doch gewiß zum besten, und besser als ich und Hans Jochem es vorher bedacht hätten. Freilich der Hans Jochem hätte nicht das Bein gebrochen, aber Du sagst ja selbst, das wär' zu seinem Heil, und darum soll er Gott preisen. Warum soll ich Gott denn nicht auch preisen, und das könnte ich doch nicht, wenn ich's vorher bedacht, da müßt ich mich ja selbst preisen. Denk drum, 's ist am besten, man läßt's gehen, wie es geht.«
Es ward Agnes Bredow recht schwer, ihren Vetter eines Bessern zu belehren, weil es überall schwer ist, zu lehren wo man selbst nicht recht Bescheid weiß. Während sie lange hin und her stritten, ob jeder Mensch selbst denken müsse, und was und wann und wie weit? schienen sie sich darin zu nähern, daß man's in jungen Jahren noch nicht nöthig hätte, wer nicht geistlich werden wollte; aber daß es gut sei, wenn man älter würde, das mußte auch Hans Jürgen zugeben.
Da schlug er sich plötzlich auf die Lende: »Aber Blitz noch mal Agnes, Dein Vater denkt ja auch nicht. Meinst Du, daß er nicht in den Himmel kommt? Er ist doch ein so guter Christ wie einer.«
Agnes besann sich: »Weißt Du was? Für den denkt die Mutter. Das mag wohl so eingerichtet sein vom lieben Gott, wenn zwei verheirathet sind, so hilft Einer dem Andern aus, und dem Einen wird angerechnet, was
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