Die Hosen Des Herrn Von Bredow
saß. Da war kein grauer Stein, kein alter Baum, kein dunkler Winkel, von dem er nicht Geschichten wußte, daß den Zuhörern das Blut kalt wurde. Im Kreise von Vielen, beim warmen Feuer hört sich das hübsch an, aber wer allein mit ihm über die Haide ging, bei grauen Wettern, der war nicht sehr begierig, daß Ruprecht den Mund aufthat.
Aber der Wald war auch unheimlich, und Ruprecht ein Mensch. Doch was sucht er hier? Auch auf dem Fußpfad, der nach Brandenburg führte, ging er nicht ab. Kräuter suchen war nicht die Zeit. War er etwa Hans Jürgens wegen hier? Wollte er ihm nachschleichen? Doch in welcher Absicht konnte das sein? Hans Jürgen wandte sich seitwärts in's Dickicht, rief dem Knecht ein Glück auf den Weg zu, und meinte, als er auf einem Umweg wieder auf derselben Stelle heraus kam, Ruprecht werde weit vorauf sein. Aber er stand noch da, auf seinen Stab gelehnt, und gaffte in's Blaue oder in die Krähennester.
»Warum stehst Du noch hier?«
»Ich wußte doch, Ihr würdet hier wieder rauskommen.«
»Woher wußtest Du's?«
»Weil Ihr da in's Moor geriethet.«
»Und wohin gehst Du denn?«
»Ich meine da, wo Ihr.«
»Hat's die Frau Dir geheißen, des Herrn Kleid suchen? Bat Dich nicht drum, mir auf Schritt und Tritt zu folgen.«
»Weiß es wohl.«
»Wer hieß Dich's, Ruprecht?«
»Ach Ihr wollt's wissen, Junker?«
»Will's!«
Hans Jürgen meinte, es sei vielleicht die Vorsorge seiner Muhmen gewesen. Er hoffte, es sei so, aber Ruprecht sagte trocken:
»Die Frau.«
»Die Frau hat Dir gesagt –«
»Lauf ihm nach, daß er sich nicht verirrt, und wenn ihm was begegnet, sieh zum Rechten, daß er nicht zu Schaden kommt; er ist ungeschickt und weiß sich nicht zurecht zu finden.«
Nun kam er sich erst recht gedemüthigt vor. Man traute ihm nicht einmal in den Wald zu gehen, gab ihm einen Aufseher mit! Er schluckte an seinem Schmerz, aber dann und wann brach es aus den Augen, und er wischte mit der Hand das Feuchte fort.
»Ich brauche Dich nicht,« sprach er plötzlich. »Will allein meines Wegs gehen.«
Ruprecht blieb auch zurück, aber nur scheinbar. Hans Jürgen sah ihn immer wieder hinter den Büschen folgen, bis er selbst stehenblieb und ihn erwartete.
»Bleib nur bei mir. 'S ist mir am Ende lieber, daß ich Dich sehe, als Dich heimlich um mich weiß.«
Ruprecht nickte mit dem Kopf. »Ihr habt auch Recht, Junker. Wer da noch so heimlich geht, es schleicht ihm Einer nach, der alles aufmerkt. Aufseher und Aufpasser haben wir allzumal, bei allem was uns in den Kopf steigt. Die Priester sagen, das ist der liebe Gott und seine Engel. Die Priester wissen mancherlei, was wir nicht wissen; aber ich meine so, der liebe Gott und seine Engel hätten mehr zu thun, und das Aufpassen überlassen sie anderen. Und so Jedermann immer an die dächte, die heimlich um ihn sind, und als wie Ihr mich ruft und's nicht mögt, daß ich Euch so heimlich nachschleiche, wie's eigentlich die Frau wollte, ich meine, wenn er sie sich so dächte, offenbar, wie sie um ihn heimlich sind, dann mein' ich, wäre Manches besser als es ist.«
»Wer sind die?« fragte Hans Jürgen.
Der Knecht warf ihm einen eigenen Blick zu: »Meint Ihr, Junker, Ihr wärt allein, wenn's um Euch schwebt und schwirrt? Das trockene Blatt, das Euch der Wind nachfegt, das Reisig, das knistert, wenn Ihr's zertretet, der Leuchtwurm, der Käfer, der im Holze bohrt, die Luft, die in den Büschen spielt bei stiller Nacht. Ach du mein Gott, wo hätt's Worte, daß ich Euch all das nennte, was um Euch ist und Euch auf Schritt und Tritt begleitet.«
Sie waren an die Stelle gekommen, wo vorhin die große Wäsche war, wo noch eben die Reiter still gehalten, und wo jetzt, so wenig als damals, die Elennshaut hing. Vergebens blickte Hans Jürgen in die Kieferbäume, schüttelte an den Stämmen und suchte auf dem Boden, während Ruprecht ruhig dabei stand und seine eigenen Betrachtungen anzustellen schien.
»Gebt Euch nicht Mühe hier, Junker. Ich wußt es schon dort an der Koppelwiese. Wie's da durch die Stämme huschte, Ihr wart nur zu verloren in Eure Gedanken, und saht es nicht, die alte Frau mit der weißen Hucke. Wo die sich zeigt, ist's richtig. Da ist was gestohlen.«
»Ich muß es finden, Ruprecht, und sollt ich –«
Ruprecht war so schweigsam geworden. Er sah, die Arme auf seinem langen Stock, ruhig den hastenden Bewegungen zu, die Hans Jürgen machte; er lief fast wie ein Hund im Kreis, der nach einer Fährte schnuppert.
»Nun, ich denke, mich
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