Die Hosen Des Herrn Von Bredow
nicht, aber ihr war's, als hätte sie die Himmelskönigin gebeten, sie möge ihre Noth bedenken und machen, daß sie nicht gelogen hätte. Hatte sie doch auch einst die Bitte der frommen Landgräfin von Thüringen erhört, und das Brod und Geld ward in Körben zu Blumen.
Nun war sie oben auf der Zinne. – Die freie Luft wehte sie an. Wie der Wind über Kieferwälder strich, wie er, in den Ulmen spielend, einen goldenen Blätterregen auf die Wiese streute, wie die Krähen und Tauben in Schaaren sich in der niederen Luft wiegten, wie die Habichte unter den Wolken kreisten, wie der Rauch sich aufringelte aus den Mooshütten des Dorfes – ein Anderer hätte es vielleicht mit Lust gesehen, ihr Auge war auf andere Dinge gerichtet, ihr Ohr lauschte auf andere Töne, als das Summen der Käfer, das Gekrächze der Raben, das Hämmern des Dorfschmieds, das Knarren der Mistwagen, welche von den Ochsen mühsam durch den Sand gezogen wurden.
»Der Kaspar ist ein guter Mensch,« dachte sie. »Ich hör' ihn auch gar nicht widerreden. Er nimmt's so ruhig hin. – Wenn doch alle Knechte so fromm wären! – Ich will ihn auch nachher in den Keller lassen – – – Es klatscht ja gar nicht mehr! – Was ist das! – Ach heilige Elisabeth, er hat ihn gewiß an die Gurgel gefaßt. – Da butzt es auch schon gegen die Wand – Götze, Götze, nur nicht zu stark. Wenn da nur kein Unglück kommt!«
Sie hatte sich über die Zinne gelehnt, den Kopf übergebeugt; als wolle sie keinen Ton sich entgehen lassen, drückte sie die Augen zu:
»Götze, Götze! lieber Mann! – Warte nur ein klein bischen. Nun kommt's schon. Ich sehe den Hans Jürgen schon. Er bringt sie. Du sollst nicht mehr frieren.«
Unten schwieg es wirklich, auch sie schwieg, es war etwas Angstschweiß, der sie überlief. Sie hatte ja wieder gelogen; wie sollte sie in's Licht des Tages sehen! Aber sie sah doch hinein. Ihre Knie hoben sich, ihre Augen wurden größer, ein Zug von Friede und Freude breitete sich um ihren Mund. Traute sie ihrem scharfen Gesicht heute nicht, daß sie die Hand noch einmal über das Auge legte? Nein, es war keine Täuschung: »Götze, Götze! Der Hans Jürgen ist da, er hat sie!« – Hans Jürgen mußte die Edelfrau auf dem Thurme erkennen. Mitten auf dem Damm schwenkte er es. »Der liebe Jung, er ist geschickter als ich dachte. Aber was ist ihm. Er könnte hurtiger laufen.« – Ehe sie hinunter stieg, schaute sie noch einmal hinaus. Aus dem Walde kamen noch Andere, langsameren Schrittes. »Ist das der Ruprecht?« Sie blieben stehen; es schien ihr, als trügen sie etwas. Der Schatten des Waldes erlaubte ihr es nicht zu erkennen. Was ging es auch sie an!
Da stand schon Hans Jürgen im Hofe, als sie hinunter kam, aber was sah der Junge so blaß und verblüfft aus. Was war überhaupt vorgegangen? Das Thor stand sperrweit offen. Der Dechant war auch herbeigekommen und wollte ihre Hand fassen: »Gnädige Frau, Gottes Fügungen sind wunderbar! In seinen unerforschlichen Rathschlüssen zu lesen, ist uns zwar nicht vergönnt, indessen –«
»'S ist heut ein Unglückstag,« sagte der alte Meier, und betrachtete das Blut in seiner Hand, mit der er den Sattel und Kopf des Pferdes befühlt hatte.
»Was ist los, Kinder?« Sie hielt doch schon das verlorene Kleidungsstück, das Hans Jürgen überbrachte, in der Hand, und aus ihrer Hand war es schnell in den Erker hinaufgewandert.
»Du bist nicht daran schuld,« sagte Eva zu Hans Jürgen.
»Ach wer das sah und wer das hörte! Wenn er am Leben bleibt, der Kopf und der Arm sind hin.«
Wäre nicht der Dechant gewesen, es wäre Niemand gewesen, der der Edelfrau Rede stehen konnte, so kraus und bunt ging's durcheinander. Die halbe Einwohnerschaft war hinausgestürzt, um zu helfen oder zu sehen.
»Er ist vom Pferde gestürzt, meine gnädige Frau. Der Herr giebt und der Herr nimmt.«
»Hans Jochem!« Die Blässe des Schrecks gewann endlich Platz auf der Burgfrau Gesicht.
»Er ist noch nicht ganz todt«, sagte der Dechant. »Es ist sogar noch Hoffnung, daß wir ihm die Sterbesacramente reichen können.«
Frau von Bredow legte mit mütterlicher Theilnahme die Hände auf die Stirn ihrer Tochter. Sie blickte sie wehmüthig an und küßte ihre Stirn: »Der Mensch denkt, Gott lenkt.«
Auf einer Bahre von Tannenreisern lag der Verwundete, ein kläglicher Anblick selbst für die, welche ihn schon seit einer Stunde so gesehen. Sein Gesicht war mit Blut aufgelaufen und unkenntlich, sein linkes Bein gebrochen,
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