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Die Hosen Des Herrn Von Bredow

Titel: Die Hosen Des Herrn Von Bredow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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»wenn der dran glauben muß, dann hat der Andre den Trost, daß er ihm zuletzt noch einen Liebesdienst gethan. Mehr kann am End' Keiner sagen, daß er für die Anderen that. Wir sind alle Kinder des Staubes, wir müssen Alle unter die Erde.«
    Sie wischte mit dem kleinen Finger eine Thräne aus dem Auge, Eva weinte laut, und Agnes weinte still. Da war das Zeichen gegeben. Wenn die Herrschaft weinte, durfte die Dienerschaft auch, es war sogar ihre Schuldigkeit, weinen. Sie weinten nicht still, sie schluchzten laut, sie drängten ihre Schürzen am Aug' nach der Thorstube, den lieben jungen Herrn zu sehen, sie schrieen auf, wenn sie ihn sahen, und heulend stürzten sie fort, bis es durch das ganze Haus und die ganze Burg ein Geheul war um den Junker, der ein so lieber schöner Herr gewesen, und nun war er ein Krüppel, eine halbe Leiche, schlimmer als eine Leiche. Und wie viel gute Eigenschaften und Vorzüge kamen bei dieser Gelegenheit an dem grauen Tage von Einem zu Tage, von dem sie bis da gar nicht gesprochen, und wenn es geschah, schalten sie ihn einen eitlen Thunichtsgut.
    Herr Gottfried hatte derweil seine Biersuppe mit Ingber und Pfeffer und den schwimmenden Eierschaum drauf getrunken. Er strich sich, als er allmälig warm ward, behaglich die Seiten, und sah auch mit Befriedigung, wie der Knecht Kasper die große Schüssel mit Buchweizenbrei auftrug, deren glatt gewordene Oberhaut schön geädert war mit kleinen Seen und Flüssen und Kanälen von brauner Butter und Zimmet. Dabei lächelte der Burgherr wohlgefällig, denn die Zimmetbüchse holte seine Ehefrau nur bei absonderlichen Festtagen aus dem Schranke: »'S ist doch ein gut Weib!« brummte er und sah auch mit Vergnügen auf die Schüsseln mit Honig und Käse und den Ochsenschinken, der jetzt hereingetragen ward. Zu viel für einen Mann hätte es einem andern gedünkt, der auch hungrig war, aber nur seit gestern. Herr Gottfried hatte seit einer Woche keinen Bissen über die Lippen gebracht und dieser Gedanke schien jetzt zum vollen Bewußtsein des Hungers zu werden. Er maß die Schüsseln und auf seinem Gesicht strahlte immer mehr Friede, aber mit dem Frieden stimmten die Klagetöne draußen wenig.
    »Ist also gefallen?« fragte Herr von Bredow.
    »Und gestürzt,« sagte der Knecht.
    »Ja, ja, das kommt davon,« sagte Herr von Bredow und schnitt tief in den Schinken ein.
    »Und hat sich Schaden gethan,« sagte der Knecht.
    »Durch Schaden wird man klug. Fiel auch mal vom Pferd. Ist's der Hans Jochem oder der Hans Jürgen?«
    »'S ist ein Unglückstag heut,« sagte der Meier.
    »Ein Unglückstag!« wiederholte Herr von Bredow und schien drüber nachzudenken, indem er einen zweiten Teller mit Buchweizenbrei füllte und wie verwundert zusah, daß es noch immer dampfte. »Was haben wir denn heut, Kasper?«
    »Sonntag nach Gallus, Gestrenger. Die Gänse sind schon geschlachtet.«
    »Die Martinigänse! – Ist's die Möglichkeit!« rief Herr von Bredow und setzte den Messergriff auf den Tisch. »Der arme Hans Jochem! Jemine, schon die Martinigänse. – Das geht jetzt alles – Einer will's dem Andern zuvorthun. Da kommt's denn! – Ein Bein gebrochen hat er?«
    »Aber der Herr Dechant wird ihm die Sacramente reichen.«
    »Sacramente!« – Ein neuer Gedanke schien in der chaotischen Wüste seines Kopfes sich durchzuarbeiten. – »Sacramente! Dann geht's wohl auf die Letzt.«
    »'S ist aber nach dem Wundarzt geschickt. Der muß bald da sein. Sonst kommt er zu spät.«
    »Zu spät!« Ein zweiter Gedanke brach durch. Der Ritter legte Messer und Löffel fort: »Kasper meinst Du, daß es gut ist, daß ich zum Hans Jochem gehe? Er kann doch nicht zu mir kommen!«
    »Freilich, das kann er nicht, gestrenger Herr, aber –«
    »'S ist heut ein Unglückstag,« wiederholte der Meier. »'S thäte wohl besser, gestrenger Herr,« sagte der Knecht, »wenn Ihr erst frühstücktet. Das Unglück kommt immer zu früh noch, und Ihr könnt dem Junker nicht helfen. Aber der Junker kann Euch schaden. Herzeleid auf leeren Magen thut nimmer gut. Wer Morgens ordentlich frühstückt, der sammelt seine Gedanken und kann was vertragen. Manchermann, der nüchtern ausritt, und wollte alles thun, that nichts und fiel gar in Unmacht.«
    Da nickte Herr von Bredow mit voller Beistimmung dem verständigen Knecht zu, und that, wie er ihm rieth. Und der Rath erwies sich als gut, denn je mehr sich der Magen füllte, um so mehr schien in dem großen Körper die zerstörte Ordnung sich wieder

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