Die Hosen Des Herrn Von Bredow
sein ganzer Körper schien zerschmettert. Der Knecht Ruprecht winkte dem Bauer, mit dessen Hülfe er und Hans Jürgen den Verwundeten bisher getragen, daß er nun gehen könne. Er wartete auf frische Hülfe aus der Burg. »Meint Ihr, daß er davonkommt?« fragte der Bauer. »Wenn er leben bleibt, bleibt doch nicht viel von ihm leben,« antwortete Ruprecht. »In den Krieg kann er nicht mehr, auf die Jagd auch nicht.« »Und was ist ein Junker, der nicht auf's Pferd kann,« sagte der Bauer achselzuckend und ging.
Was Hans Jürgen nicht erzählt, erzählte der Bauer denen, die ihm entgegen kamen: wie es gewimmert und gestöhnt, als der Knecht und der Junker im Walde zurückkehrten, wie sie, der Hufspur folgend, den Verunglückten gefunden. Das scheue, zügellose Pferd, durch Dick und Dünn jagend, war gegen einen Baum mit seinem Reiter angerannt, hatte ihn abgeworfen und gegen einen scharfkantigen großen Stein geschleudert. Sie fanden ihn schon sprachlos in Todesängsten. Das mochte man sich selbst so auslegen, auch wenn er kein Wort gesprochen hätte; aber bei jedem Schritt wußte man mehr und die Mägde in der Küche, die gar nicht hinausgekommen waren, wußten es ganz genau, wie es hergegangen. Da hatte Hans Jochem sich verschworen gegen die Andern, er allein wollte den Krämer werfen und bis auf's Hemd ausziehen, auch wenn der Kurfürst mit allen seinen Trabanten um ihn stände. Auch so der Teufel neben ihm ritt? fragten die Andern. Auch dem will ich ein Schnippchen schlagen, hatte Hans Jochem gesagt. Da als er dem Pferd die Sporen gab, war ein schwarzer Reiter wie aus der Erd aufgeschossen und hatte sich ihm in den Weg gestellt. »Mach' Platz!« rief Hans Jochem. »Wer bist Du?« Der Reiter schlug das Visir auf, und die helle Lohe schlug ihm aus des Reiters grünen Augen und Rachen entgegen. Da ward sein Roß scheu, kehrte und trug ihn über Stock und Block. Und hinter ihm rief ein altes Weib: »Ach Junker nehmt mich doch mit; ich kann meine Kiepe nicht tragen,« und vor ihm lief ein anderes Weib, die rief: »Folgt mir nur, ich zeig' Euch den Weg.« Und das Weib hinter ihm saß bald auf dem Sattel in seinem Rücken, und umklammerte ihn mit ihren Armen, daß ihm der Athem verging, und das Weib vor ihm führte ihn durch Sumpf und Brüche, und er sah ihre Laterne und konnte sie doch nicht erreichen, bis sie dort an den Teufelssteinen stille stand und die Arme ausbreitete und rief: »Springt nur, Junker, ich helfe Euch runter.« Und da er sich im Sattel schwang, riß ihn die Andere hinab und er fiel. Die Frauen waren verschwunden, er lag auf den scharfen Steinen, und während er vor Schmerz wimmerte, lachte und kreischte und flatterte es auf wie hundert wilde Gänse, und die Eulen heulten im Walde. So wußten es die in der Küche ganz bestimmt und Keinem hätt' ich rathen mögen, daß er daran zweifelte.
»Er hat geseufzt, er lebt!« stürzte Agnes in die Thorstube, wo der Verwundete jetzt lag, und ihr Auge strahlte vor Freude der Mutter entgegen, welche die Arme bepackt mit feinen, weichen Linnen aus dem Wohnhaus kam. Die Leinen kamen zu spät, die Stirn war schon verbunden, kalte Wasserumschläge waren gemacht, der Schmied aus dem Dorfe war auch schon da, aber er schüttelte den Kopf, was hier zu thun war, ging über seine Kunst.
»Ach lieber Himmel, daß mir das nicht gleich einfiel,« rief die Edelfrau. »Schnell zu Pferd Einer nach Altenbrandenburg, er soll die Sporen nicht scheuen, zum Meister Hildebrand!«
Sie sah sich um nach einem guten Reiter. Auch das war schon besorgt. Der Bote ritt seit einer Viertelstunde.
»Dechant, das ist brav von Euch, daß Ihr daran gedacht.«
Der Dechant blickte abwehrend auf Agnes: »Das liebe Kind denkt und waltet, als wäre sie schon eine barmherzige Schwester. Da wird des Himmels Segen nicht ausbleiben.«
»Agnes Du! Ach heilige Mutter, mir fällt ein, der Hildebrand wird nicht in der Stadt sein. Reit Einer nach, er ist –«
»Beim Vetter in Golzow,« fiel Agnes ein. »Er reitet auch über Golzow. Erst, wenn er ihn Nicht findet, soll er nach Brandenburg.«
»Wen habt Ihr hingeschickt?« fragte die Frau.
»Hans Jürgen,« sagte leis Eva zur Mutter.
Die wiegte etwas den Kopf: »Der Junge wird auch müde sein. 'S schadet aber nichts. Ein Nußbaum, der tragen soll, muß früh geschlagen werden. Die Vettern waren sich nimmer sehr gut. Schon als Kinder lagen sie sich in den Haaren. Nun wenn der Eine – der bessere,« entfuhr es ihr, aber sie unterdrückte die Stimme, –
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