Die Hosen Des Herrn Von Bredow
sein Stahlkleid noch mit einem Wolfspelz umhüllt; es war ein kalter, stürmischer Spätabend, der Wind heulte in den Böden des Schlosses und fuhr durch die Schlotte herab. Die Spree dampfte; der Wohlgeruch, welcher von den Aepfelkähnen dann und wann herauf und durch die schlecht verschlossenen Fenster drang, schien ihn nicht zu erquicken. Er spielte ein gedankenloses Spiel mit seinem Dolche; wenn er dann und wann sichtlich gelangweilt aufsprang und an's Fenster trat, zählte er die Lichter drüben in den kleinen Häusern der winklichten Stadt, wie eines um das andere verlosch. Endlich waren alle verschwunden; nur auf der langen Brücke schweelte noch kümmerlich fort die kleine, röthliche Oellampe unter dem Muttergottesbilde.
Durch die geöffnete Thür sah man auf dem langen Corridor zwei Hellebardiere mit gemessenen Schritten auf und abgehen. Zuweilen zeigte sich auch ein Mann an der Schwelle, im kurfürstlichen Wappenrock, mit dem rothen Adler auf der Brust und in hohen Reiterstiefeln, als warte er auf etwas. Wenn der Ritter ihn sah, winkte er ihm mit der Hand: »Er schreibt noch.«
Durch die Nachtluft dröhnte jetzt ein Glockenschlag, dem drei andere folgten. Von Sanct Nicolas tönten darauf zehn volle Glockenschläge. Als der letzte verklungen, fing die Marienkirche an, vom Rathhaus antwortete es, und plötzlich summte und schwirrte es, ein lautes Glockenmeer in der Luft, von den Kirchen in Köln, dem Dom, Sanct Peter und den schwarzen Brüdern, die sich nicht Zeit zu lassen schienen, eine die andere abzuwarten. Die entfernteren und kleineren Glocken von den grauen Brüdern, dem Hospital von Sanct Georg hallten auch nachklingend in der Ferne, als die Nachtwächter diesseits und jenseits der Spree schon in's Horn stießen und ihr:
Hört Ihr Herren und laßt Euch sagen:
Die Glock' hat Zehn geschlagen,
Bewahrt das Feuer und das Licht,
Damit der Stadt kein Schaden geschieht.
Lobet Gott den Herrn!
die Stille der Nacht für eine Weile unterbrach.
Auf dem Gange schallten Tritte. Die Hellebardiere schulterten, der Hoffourier, der sich wieder an der Schwelle gezeigt, trat ehrerbietig zurück, und ein vornehmer Herr in carmoisinem mit Gold gesticktem Wams und feiner Halskrause trat unangemeldet mit eiligem aber einem so sicheren Schritte ein, daß man sah, er war dieses Bodens gewohnt.
»Ha, Du hast die Wache!« rief er dem Officier zu. »Das ist gut.«
»Endlich, Wilkin!« antwortete der Hauptmann und hielt ihm die Hand entgegen. »Welcher Teufel hat Dich denn beim Kopf gehabt?«
»Erwartet mich seine Gnaden?«
»Fünf-, sechs Mal schickte er nach Dir. Wie's Kind nach der Muttermilch schnappt er nach Deinem Anblick. 'S ist grausam, daß Du Dich ihm so lange entzogst.«
Der Angekommene befühlte seine Halskrause, ob sie in Ordnung sei, strich die Federn auf seinem Hut und wollte mit einem stummen Gruß an dem wachthabenden Officier vorbei nach der Thür zu den inneren Gemächern, aber der Hauptmann hielt ihn zurück:
»Halt! Jetzt schreibt er. Vorhin zu spät und jetzt zu früh.«
Der Cavalier warf sich in den Lehnstuhl und schöpfte tief Athem. Dann wischte er den Schweiß von der Stirn: »Es ist mir ganz recht. Ich muß mich etwas erholen; ich lief zu sehr.«
»Nun sprich, wo stecktest Du? Du warst ja wie weggeblasen mit Deinem Rappen.«
»Du weißt, er hat zuweilen den Koller.«
»Du aber einen vortrefflichen Riecher, wo es eine Spur finden gilt. Als das Unwetter gestern losging und alle Hörner umsonst schmetterten und keine Antwort kam, war Jochem allen Ernstes besorgt, ein Nix, eine Elfe hätte Dich verlockt, und wir würden Dich wiederfinden als kalten Mann in 'nem Sumpf oder an einem Seeufer.«
»Seit wann schickten Seine Gnaden nach mir? Ich meine, wann ist er nach Köln zurückgekehrt?«
»Gestern kehrten wir gar nicht zurück. Er suchte nach Dir, wie nach seinem Schoßhund, da mußten wir, weil wir uns bei Belitz verspätet, in Potsdam übernachten. Heut Morgen ward dort gejagt, erst zu Mittag kehrten wir heim. Du kannst dem Hoffourier neue Sohlen schenken; so oft hat er für Dich durch Koth und Kehricht nach der Klosterstraße gemußt. Blitz, was waren Deine Wege?«
»Otterstädt!« sagte der Andere nach einer Pause, indem er den Kopf in dem Arm stützte. »Es schleicht mir was durch die Glieder seit einiger Zeit. Ist's ein Fieber oder was ist's? Ich sehe die Dinge doppelt, oder was Andere sehen, sehe ich nicht. Schauderte mich doch eben, als ich in's Schloß trat, und die
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