Die Hosen Des Herrn Von Bredow
Kurfürsten Blicke auf den Mann. – »Seine Aussage klagt auch Dich an, Du hast also Grund, die Sache zu verdrehen. –«
»Herr, 's ist wahr, ich nahm die Hosen von der Leine, aber nur, weil sie vergessen waren und weil ich fror, knöpft' ich mich drein. Sie waren nicht werth des Mitnehmens; man hatte mir am Fließ zu arg mitgespielt. Das war doch nichts.«
»Genug Dich zu verdächtigen. Wer bürgt mir, daß Du nicht bestochen bist vom Feinde eines meiner Hofleute, auf ihn auszusagen? Die Arglist unter den Menschen ist groß. Hier ein geständiger Verbrecher, der meiner Gnade sich unterwirft, und auf der andern Seite –«
Der Fürst ging, in sich versunken, auf und ab. Das Geräusch der Kommenden in dem Fürstensaale daneben begleitete seine ernsten Gedanken, wie das Rauschen eines Flusses. Es war eine schwere Sorge gewesen. Er glaubte sie Alle zu kennen, und traute Keinem. Nun war es gelöst, die Last zu strafen von seinen Schultern genommen. Was ging der Ritter von Hohen-Ziatz ihn an! Da war auch kein böser Ausgang, der ihn erschreckte, und Alle, zwischen denen sein Argwohn geschwankt, waren nun gerechtfertigt! – Waren sie es? Er brauchte, nur zu wollen. Der Elende vor ihm lauerte schlau auf seine Blicke, seine Worte würden der Widerhall der Wünsche seines Fürsten geworden sein. – Und warum konnte er sich noch nicht entschließen zu wollen?
»Der ist ein schlechter Gärtner, der das Unkraut nur mit den Füßen niedertritt, weil es ihm unbequem ist, sich zu bücken, daß er es mit der Wurzel ausreiße. Ich bin jung, und wenn die Nesseln auch brennen, meine Gärten sollen rein werden!«
Er winkte dem Krämer, vor dem Crucifix auf dem Betpulte niederzuknien.
»Es bleibt bei der Anweisung, die ich Dir gab. Du hältst Dich hinter dem Teppich; jene kleine Wandthür führt Dich dahin. Fasse ihn wohl in's Auge, aber prüfe ihn und Dich bis zu dem Augenblick. – Wirst Du in der strengsten Untersuchung, die ich anordnen will, als boshafter, falscher Ankläger erfunden, wehe Dir. Der Weg zum Galgen geht über Martern. Doch auch den guten Menschen können die eigenen Sinne täuschen, und schon die Anklage eines Schuldigen ist ein Makel, die keine Buße wieder abwäscht. Deshalb bete zu Deinem Schutzpatron, daß er Deine Augen hell sehen lasse, und hier schwöre bei dem Bilde des hochheiligsten Gottseibeiuns, daß Deine Blicke und Deine Reden Wahrheit seien.«
Der Krämer schwor. Der Fürst winkte ihm zu gehen. Die kleine Thür führte in einem engen, dunklen Gange durch die dicke Mauer bis in den Fürstensaal, wo die schweren Teppiche zu Seiten des Thronhimmels ausgespannt waren. Schon nach wenigen Augenblicken kam Hedderich mit offenem Munde, mit glänzenden Augen:
»Er ist da, Herr, ich sah ihn!«
»Wen?«
»Ich weiß seinen Namen nicht. Aber ich könnte ihn malen. Er steht im violetten –«
Ein Zornblick des Fürsten wies den Ungerufenen fort: »Auf Deinen Platz! Ich will nicht Deine vertraulichen Hinterbringungen, ich will Deine feierliche Anklage, die Du den Muth haben sollst, vor meinem ganzen Hofe auszusprechen. Zwischen uns Beiden ist nichts mehr.«
Im Fürstensaale war der Hof schon lange versammelt; Räthe, Ritter, Geistliche, auch die Bürgermeister von Berlin und Köln. Vielen der Herren sah man es an, daß sie hier ungern waren. Der Lederkoller, der Pelz und der Harnisch war ihnen lieber als der geschlitzte Wamms von Tuch. Solche von Sonne und Trunk geröthete Gesichter mit buschigtem Bart, mit wild schielenden Blicken! Einige hatten sich schon gewöhnt; sie standen manierlich da in schön gepufften Hosen mit knapp anschließendem Wamms, mit Halskrausen und einem wohlgekämmten Bart, gewärtig das Baret, das etwas schräg auf dem Lockenkopf schwebte, beim Eintritt des Kurfürsten mit leichtem Griff zu lüften. Diese traten unwillkürlich mehr in den Vordergrund, während die Andern ganz zufrieden schienen, hier in den Hintergrund gedrängt zu sein, wo für sie keine Ehre war. Der Edelmann, der noch trotzig, seine Knechte vorauf, durch das Oderberger Thor gesprengt, und dem Wirth zur Herberg, dessen Blicke ihn vielleicht gefragt: »Ei in dem langen Waffenrock zu Hof?« geantwortet hatte: »Hauskleid ist Ehrenkleid, so trugen's meine Väter, ehe die Hohenzollern wie Pilze im Sand wuchsen!« Dieser Edelmann war doch andern Sinnes, als er die Treppen heraufkam, und Alle um ihn hatten den gesteppten Faltenrock zu Haus gelassen, und das geschlitzte Wamms, das nur bis zur Hüfte reichte, anzogen.
Weitere Kostenlose Bücher