Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
gegenüber.
»Es geht mir besser, Mama«, sagte ich. »Am Montag gehe ich wieder zur Schule«, fügte ich hinzu, weil ich dachte, dass ihr das zu schaffen machte.
»Hoffentlich nicht«, sagte sie.
»Wie bitte?«
»Ich hoffe, du kehrst nie wieder auf diese Schule zurück, Rain. Die Schwierigkeiten dort werden nie aufhören. Nie.« Sie trank von ihrem Kaffee.
Ich hatte nicht mehr an die unheilvollen Kommentare gedacht, die Mama im Krankenhaus abgegeben hatte, weil sie es während der Woche nicht mehr erwähnte.Aber plötzlich stürzten diese Worte wieder auf mich ein wie Worte aus einem alten Traum, Worte, die du unbedingt vergessen und nie wieder hören möchtest, Worte, die in den finstersten Winkeln deines Gedächtnisses hängen bleiben.
»Du und ich haben heute eine Verabredung zum Lunch«, fuhr sie fort.
»Eine Verabredung zum Lunch? Mit wem, Mama?«
»Mit der Frau, die deine leibliche Mutter ist, Rain. Ich habe die ganze Woche versucht, sie anzurufen, und schließlich ist es mir gelungen, mit ihr zu sprechen. Sie machte nicht gerade einen Freudensprung, als ich ihr mitteilte, was ich wollte, aber ich hörte auch die Neugierde in ihrer Stimme. Sie will dich einmal sehen. Das ist nur natürlich.«
»Natürlich?«, fauchte ich. »Was weiß sie denn schon darüber, was natürlich ist? Sie hat mich doch verkauft, oder?«
»Ihr blieb wohl keine andere Wahl. Das ist eine Geschichte, die sie dir selbst erzählen muss. Ich kann nicht für sie sprechen. Ich habe noch nie mit ihr oder ihrem Daddy gesprochen. Damals hat Ken das alles geregelt. Ich sagte dir ja, am Anfang war ich dagegen, aber sobald ich einen Blick auf dich geworfen hatte, konnte ich dich nicht mehr wegschicken.«
»Aber jetzt willst du das, oder?«, warf ich ihr vor. Der Zorn, der in mir aufstieg und meine Augen blitzen ließ, tat ihr weh, aber sie zuckte nicht zurück.
»Ich will es nicht, nein. Aber was ich will, ist, dass du gesund und in Sicherheit bist. Ich will, dass du nur das Beste bekommst, und ich will, dass aus dir etwas wird, Rain. Du hast hier was«, sagte sie und deutete auf ihre Schläfe. »Es gibt nichts, was du nicht werden könntest, sobald du es dir in den Kopf setzt.«
»Aber Mama …«
»Aber was, Schätzchen? Schau dich doch um«, sagte sie, streckte die Arme aus und deutete auf unsere heruntergekommene Wohnung. »Was kann ich dir geben, hm? Was gibt es denn hier? Ich weiß, was dich da draußen erwartet, und es ängstigt mich zu Tode, wenn ich daran denke. Ich habe deinen Bruder dazu gebracht, dass er geht, und ich bin froh darüber. Ich bin froh, obwohl ich es hasse, ihn gehen zu sehen. Ich muss auch für dich etwas tun, bevor es zu spät ist, Rain.«
»Ich kann dich nicht verlassen, Mama. Du wirfst Ken hinaus. Roy geht weg. Beni ist tot. Du wirst ganz allein sein«, sagte ich kopfschüttelnd.
»Nein, das werde ich nicht. Ich werde bei meiner Tante Sylvia in Raleigh leben. Sie ist jetzt ganz allein, seit Onkel Clarence tot ist, und sie würde sich über meine Gesellschaft freuen«, sagte sie.
Einen Augenblick lang war ich sprachlos. Mama hatte all das geplant? Konnte sie mich wirklich verlassen? Roy verlassen?
»Das sagst du doch nur«, sagte ich lächelnd. »Ich weiß doch, dass du nirgendwo anders hingehen würdest.«
»Doch, das würde ich, Rain. Doch«, sagte sie entschlossen. »Ich habe das alles so satt. Ich bin den Kampf und die Not leid. Ich bin es leid, mich zu Tode zu ängstigen. Ich sagte es ja bereits. Ich werde dich nicht auch noch an die Straße verlieren.«
Ich wollte den Kopf schütteln.
»Willst du mein ganzes Leben lang eine Last für mich sein, das bisschen Leben, das mir noch geblieben ist?«, fragte sie.
Tränen brannten mir in den Augen.
»Ich werde dir nie zur Last fallen, Mama«, jammerte ich.
»Doch, das würdest du. Doch«, sagte sie. »Wenn wir hier blieben und ich jeden Tag, an dem du in diese Schule gehst und dabei diese Straßen entlangläufst, krank wäre vor Sorge um dich, ja, dann würdest du das.«
»Ich besorge mir einen Job. Ich höre auf mit der Schule.«
»Oh, das wäre doch genau das Gleiche. Dann würde ich mich richtig gut fühlen«, sagte sie höhnisch lächelnd. »Mein großartiger Beitrag zu deinem Leben besteht darin, dich zur Kellnerin oder zum Stubenmädchen zu machen, oder vielleicht können wir zusammen im Supermarkt arbeiten, hm? Vielleicht könntest du Dosen stapeln oder aufwischen,
wenn irgendein Kind eine Flasche Sauce vom Regalbrett fegt?«
»Wir
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