Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
dem Rest warten wir, bis sie noch ein wenig älter sind«, sagte sie. »Okay?« Sie sah aus, als hielte sie die Luft an. Was hatte sie getan: ihrem Mann versprochen, dass sie mich überzeugen könnte, bei ihrem Plan mitzuspielen?
»Mir ist es egal, was sie wissen oder nicht wissen«, sagte ich.
»Gut. Im Augenblick ist es so besser. Grant wird das auch zu schätzen wissen.«
»Was hat er gesagt, als du es ihm erzähltest?«, fragte ich.
»Er war nicht besonders glücklich darüber, aber er ist verständnisvoll. Als er jünger war, hat er sich auch die Hörner abgestoßen«, sagte sie.
»Ich bin froh, dass alle so verständnisvoll sind«, murmelte ich bitter. Dann blieb ich stehen und drehte mich zu ihr um. »Ich sollte dir sagen, dass ich in England meinen leiblichen Vater kennen gelernt habe.«
»Was?«
»Großmutter Hudson hat dir nichts davon erzählt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich habe ihn mit Hilfe eines Freundes gefunden und sogar ihn und seine Familie besucht.«
»Du hast Larry Ward gefunden?«
»Ich ziehe es vor, ihn meinen Vater zu nennen.«
Sie starrte mich verblüfft an.
»Das war gar nicht so schwierig. Schwierig war es, den Mut aufzubringen, ihm zu sagen, wer ich war, aber als ich es schließlich tat …«
»Was dann?«, fragte sie begierig.
»Er stellte sich als sehr, sehr nett heraus, und seine Frau auch, als ich sie später kennen lernte.«
Sie starrte mich an, schüttelte den Kopf und lächelte.
»Was sagte er, als du ihn gefunden hattest? Ich meine, was will er tun?«
»Er wollte mich besser kennen lernen«, erwiderte ich. »Er hat seiner Frau von mir erzählt, bevor ich England verließ, und er sagte, für sie sei das auch in Ordnung, aber er sprach nicht davon, sich die Hörner abgestoßen zu haben«, fügte ich hinzu. Sie ignorierte meinen Sarkasmus.
»Wie sah er aus?«
»Fantastisch«, sagte ich. »Er ist ein sehr erfolgreicher Englischprofessor, hoch geachtet, und hat zwei hübsche Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Genau wie du, nur ist bei ihm die Tochter das ältere Kind, und beide sind sehr gut erzogen.«
Sie nickte, den Blick in die Ferne gerichtet. Sie sah aus, als wäre sie wirklich einmal in ihn verliebt gewesen und ich hätte diese alte Erinnerung wieder
aufgewühlt. Einen Moment später kehrte ihr Blick wieder in die Gegenwart zurück.
Sie holte tief Luft.
»Du bist eine erstaunliche junge Frau«, sagte sie. »Deshalb weiß ich, dass wir alle dies durchstehen werden.Victoria war eine Zeit lang wütend darüber, dass Mutter dich in ihr Testament aufgenommen hat, wie du weißt. Sie hat versucht, Grant dazu zu bewegen, etwas dagegen zu unternehmen, aber er will keinen großen Rechtsstreit daraus machen. Er denkt zu Recht, dass dadurch nur eine Menge unnötige und unerfreuliche Aufmerksamkeit auf unsere Familie gelenkt würde.«
»Versucht er immer noch, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden?«, fragte ich aus dem Mundwinkel.
»Er ist ehrgeizig, und ich würde es für nicht unmöglich halten, wenn er sich bald um ein hohes Amt bewerben würde«, gab sie zu.
Ich blieb stehen und wandte mich ihr zu.
»Also gut, Mutter«, sagte ich. »Was willst du von mir? Lass es uns hinter uns bringen, okay?«
»Also, wir wissen, dass meine Mutter …« Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Meine Mutter hat eine Situation geschaffen, die es für uns alle sehr schwer machen würde. Offensichtlich hat sie dir einundfünfzig Prozent am Haus und am Besitz hinterlassen und die verbleibenden neunundvierzig Prozent zwischen Victoria und mir aufgeteilt. Sie hinterlässt dir fünfzig Prozent am Geschäft und Investments
im Wert von nahezu zwei Millionen Dollar, die gute Dividende abwerfen.«
Mir blieb die Luft im Hals stecken. Mama und ihre ganze Familie hätten zwanzigmal leben müssen, um meinem Vermögen auch nur nahe zu kommen, einem Vermögen, das ich über Nacht geerbt hatte.
»Natürlich ist das schockierend«, fuhr meine Mutter fort. »Victoria will das Testament anfechten und von einem Richter annullieren lassen. Sie behauptet, meine Mutter sei zu der Zeit nicht beiVerstand gewesen. Grant sagt, es könnte einen ernsthaften Rechtsstreit um das Erbe geben, und während dieser Zeit hinge dein Leben natürlich völlig in der Luft, Rain.
Deshalb möchte Grant einen Kompromiss vorschlagen. Wir legen eine viertel Million Dollar für dich auf einem Bankkonto beiseite, dann wärst du dein eigener Herr und könntest mit deinem Leben anfangen, was immer du willst.
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