Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
oder?«
»Ja«, sagte ich. »Ich mache mir im Moment wirklich keine Sorgen darüber, welches Zimmer ich habe.«
»Wie lieb. Okay, Jake. Danke«, sagte sie zu ihm und kehrte an den Speisezimmertisch zurück. »Ich habe hier heißen Kaffee, wenn ihr welchen wollt«, bot sie den Endfields an. »Oder ich kann euch Wasser für Tee kochen.«
»Was ist mit Frances’ Hausmädchen passiert?«
»Mutter hatte schon seit einiger Zeit kein Hausmädchen mehr«, erwiderte Victoria und warf mir einen
Blick zu. »Von Zeit zu Zeit war eine Krankenschwester hier.«
»Wer wird uns denn dann versorgen?«, fragte Großtante Leonora mit einem panischen Unterton in der Stimme.
»Ich habe eine Zeitarbeitsagentur angerufen. Sie schicken heute ein paar Leute her, damit wir das Notwendige für die Beerdigung und hinterher erledigen können. Bestimmt wird auch Rain etwas zur Hand gehen können. Sie haben doch meiner Mutter auch bei der Hausarbeit geholfen, bevor Sie sich aufmachten, Schauspielerin zu werden, nicht wahr?«
»Was ich für meine Großmutter getan habe, tat ich aus Liebe«, sagte ich. »Es macht mir nichts aus, im Dienstmädchenzimmer zu schlafen, aber ich bin niemandes Dienstmädchen«, fügte ich hinzu und ging ins Dienstmädchenzimmer. Ich war müde von der Reise und wusste instinktiv, dass ich meine Kräfte und meine Energie schonen sollte für das, was mir bald bevorstand.
Nachdem Jake sich um meinen Großonkel und meine Großtante gekümmert hatte, brachte er mir meine Taschen in mein Zimmer, und wir plauderten.
»Sie sehen nicht sehr mitgenommen aus«, sagte er, »aber ich merke, dass Sie nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden. Frances hat sich Sorgen um Sie gemacht, Rain. Sie hat ihr Bestes versucht, zu Ihnen zu kommen, um zu sehen, wie es Ihnen ging.«
»Ich kam schon klar, Jake, aber sie haben nicht gerade ein glückliches Zuhause«, sagte ich und lachte
über diese Untertreibung. »Die Schule gefiel mir sehr, und ich war auch gut dort.«
»Darauf möchte ich wetten.Vielleicht können Sie mir eines Tages alles darüber erzählen«, sagte er. »Das heißt, wenn ich dann immer noch hier arbeite.«
»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, aber wenn ich dabei mitzureden habe, werden Sie das.«
»Ohne Frances gibt es hier sowieso nicht mehr viel zu tun, Prinzessin.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Megan und ihre Familie kommen mit dem Flugzeug, deshalb fahre ich jetzt, um sie abzuholen. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann sie das letzte Mal alle hier waren.Wenn sie hier waren, hielt Frances sie an der Kandare. Heute wird wohl ein Feuerwerk losgehen. Besser als am Unabhängigkeitstag.«
»Vielleicht feiere ich meine Unabhängigkeit«, sagte ich, und er lachte.
»Ein schlechter Grund, aus dem Sie hier sind, Rain, aber ich freue mich, Sie zu sehen.«
»Danke, Jake.«
»Wenn Sie etwas brauchen, zögern Sie nicht, mich zu fragen«, sagte er und ging.
Jetzt blieb mir vorerst nichts, als mich auszuruhen und abzuwarten, bis meine Mutter und ihre Familie eintrafen, die vermutlich alle noch völlig erschüttert waren von den Enthüllungen.
Wie würden sie mich jetzt behandeln?
Nachdem ich etwa eine Stunde lang ein Nickerchen gemacht hatte, hörte ich, wie die Hausangestellten
eintrafen. Victoria hatte zwei Hausmädchen engagiert, um sich um die Familie zu kümmern, und einen Cateringservice beauftragt, das Essen für die Beerdigung zu liefern. Sie und meine Mutter hatten entschieden, dass die Trauergäste nach dem Gottesdienst und der Beerdigung, die morgen stattfinden sollten, nach Hause kamen.Wie anders war selbst der Tod für die Reichen, dachte ich. Wenn damals im Ghetto jemand starb, der uns nahe stand, gingen wir alle hin, brachten etwas zu essen mit und boten unsere Hilfe an.
Die Arbeit half, die Hinterbliebenen zu trösten. Es war keine organisierte Feier. Es waren nur Menschen, die für andere etwas taten, um ihnen über ihren Kummer hinwegzuhelfen.
Ich stand auf und ging nach draußen. Der Spätsommertag war ein bisschen frisch mit einem kühlen Wind, durch den sich die Bäume regten. Ich ging zum See hinunter und erinnerte mich daran, wie ich dort gestanden und die Vögel beobachtet und ihnen gelauscht hatte, kurz bevor ich nach England abreiste. Während ich dort saß und auf das Wasser hinausstarrte, traf Jake mit meiner Mutter und ihrer Familie ein. Ich beobachtete, wie sie ausstiegen und auf das Haus zusteuerten. Zum ersten Mal sah ich Grant, den Mann meiner Mutter, und selbst
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