Die Hüter der Nacht
existieren.«
Die Frau wurde zornig bei der Bemerkung. »Und wenn doch?«
»Eine Gruppe Deutscher, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg dem Ziel widmete, Nazis, die unter anderem Namen auf der ganzen Welt leben, aufzuspüren und zu verfolgen. Sie arbeiteten eng mit den Israelis zusammen, oftmals inoffiziell.«
»Mein Name ist Anna Krieger, Chief Inspector Barnea. Meine Eltern haben die Wächter des Tores gegründet. Der Vater meiner Mutter war verantwortlich für die Versorgung der Nazis mit militärischem Feldzeugmaterial. Der Bruder meines Vaters war Wächter in Auschwitz. Ihr einziger Wunsch nach dem Krieg war, zu sühnen.«
»Und das haben sie getan – außerordentlich gut nach allem, was man hört –, bis ihre Dienste nicht mehr gebraucht wurden.«
»Der Tod meiner Eltern hat die Welt nicht von Nazi-Kriegsverbrechern befreit, Chief Inspector. Aber ihr Tod gab den verbliebenen Verbrechern ein Gefühl der Sicherheit … bis ich es auf mich nahm, die Wächter des Tores wieder zu beleben und dafür zu sorgen, dass Deutschland seine Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt, sondern dafür büßt. Wir alle sind Verwandte, manchmal sogar Kinder von Nazi-Kriegsverbrechern. Von einigen dieser Nazis werden Sie gehört haben, von anderen nicht.« Die Frau sprach emotionslos, beinahe so, als hätte sie ihre Worte geübt. »Und einige dieser Nazis sind einer Bestrafung entkommen und auf freiem Fuß geblieben. Die meisten waren während des Krieges junge Männer, und einige wurden nach sorgfältigen Ermittlungen über ihre Vergangenheit in Frieden gelassen. Andere sind zu alt und gebrechlich, um sich weiter mit ihnen zu befassen …«
»Mein Vater hat Dachau überlebt«, sagte Danielle und brachte das Thema zur Sprache, das sie in erster Linie veranlasst hatte, nach Deutschland zu fliegen.
»Tatsächlich? Sind Sie sicher?«
Die gleichgültige Art der Frau namens Anna ließ Zorn in Danielle aufsteigen. Sie zwang sich zur Ruhe. »Was wissen Sie über meinen Vater?«
»Sie sind den ganzen weiten Weg hergekommen, um das zu erfahren, nicht wahr?«
»Ich bin gekommen, weil die Spur der Mörder von drei alten Männern in Israel mich hergeführt hat.«
»Holocaust-Überlebende.«
»Ja.«
»Und diese Spur führte Sie zu Günther Weiss.«
»Wo Ihre Leute mich gefunden haben.«
»Dann sind Sie vergebens nach Deutschland gekommen.«
Irgendetwas in Annas Stimme und ihren Augen beunruhigte Danielle, rief ein quälendes Gefühl in ihr hervor, das sie sich nicht erklären konnte.
»Sie brauchen eine ganze Armee, um ein paar alte Männer zur Strecke zu bringen?«, fragte sie.
Anna schüttelte den Kopf. »Wir brauchen diese Armee, um zu verhindern, dass die Fehler der Vergangenheit sich wiederholen. Das Aufkommen des Neonazismus in ganz Europa, das seit Jahren beobachtet wird, ist so erstaunlich wie schrecklich. Wir infiltrieren diese Gruppen und ermitteln diejenigen, die am gefährlichsten sind, um ihnen das Handwerk zu legen.«
»Sie und Ihre Helfer sind Mörder, nichts anderes«, sagte Danielle.
»Wir ziehen es vor, uns als Retter zu betrachten«, sagte Anna Krieger und rieb sich mit einer Hand über ihre linke Gesichtshälfte.
»Und was wollen Sie von mir?«
»Ihr Gespräch mit Herrn Weiss, Hauptsturmführer des größten der drei Arbeitslager bei Lodz, wurde auf Band aufgenommen. Wir müssen genau wissen, was Sie zu ihm geführt hat, wie Sie an Ihre Informationen gelangt sind und was Sie erfahren haben.«
»Ich habe gar nichts erfahren! Ich erhoffte mir von Weiss Informationen, aber er hat mir nichts erzählt. Wenn Sie unser Gespräch auf Band aufgenommen haben, wissen Sie das.«
»Sie haben ihn nach Paul Hessler und Karl Mundt befragt.«
»Ich habe ihn nach Hessler befragt. Mundt brachte er selbst ins Spiel.«
»Sie hatten nie zuvor von Karl Mundt gehört?«, fragte Anna Krieger.
»So ist es.«
»Und Ihr Interesse an Paul Hessler entstand durch die Ermordung seines Sohnes – ein Fall, an dem Sie kurze Zeit gearbeitet haben. Habe ich Recht?«
»Ja.«
»Und dann erfuhren Sie von den anderen Morden, die Sie erwähnten und die anscheinend im Zusammenhang mit dem versuchten Mordanschlag auf Paul Hessler und auch mit Ihrem Vater stehen.«
»Was wissen Sie über meinen Vater?«
»Ich kenne die Verbindung zwischen ihm und den drei scheinbaren Holocaust-Überlebenden, die ermordet wurden.«
»Den scheinbaren Überlebenden?«, wiederholte Danielle verwundert. »Was meinen Sie damit?«
Ein anderer Ausdruck
Weitere Kostenlose Bücher