Die Hueter Der Rose
genau zu sein. Ich schulde dir einen Schilling.«
Raymond klopfte ihm lachend die Schulter. »Das trifft sich gut. Ich bin in Geldnöten. Willkommen daheim, John.«
»Danke, Mylord.«
Mit jedem Tag des Blutvergießens, den sie seit Agincourt erlebt hatten, hatte ihr Verhältnis sich gebessert. Sie führten das gleiche Leben, zogen von einer normannischen Burg oder Stadt zur nächsten, um sie einzunehmen, steckten im Dreck, erlitten Entbehrungen und persönliche Verluste und nahmen all das willig auf sich, weil sie ihren König liebten und weil das nun einmal die Opfer waren, die seine ehrgeizigen Ziele ihnen abverlangten. Es kam gelegentlich noch vor, dass Raymond seinen jüngeren Bruder bevormunden wollte. Vor allem dann, hatte John gelernt, wenn der Ältere etwas von ihm wollte, worauf er kein Anrecht hatte. Raymond fand es vermutlich bequemer, Gehorsam einzufordern, als um einen Gefallen zu bitten. Aber John fiel nicht mehr so leicht darauf herein. Er glaubte nicht, dass sie sich wirklich besser verstanden als früher. Es gab heute lediglich weniger Reibungspunkte.
Auch Fitzroy und Conrad begrüßten den Heimkehrer, aufrichtigerfreut, ihn unversehrt wiederzusehen. Sie fragten ihn nach seinem Befinden und nach dem Fall der normannischen Hauptstadt und brachten ihn auf den neuesten Stand über die Ereignisse in Waringham. John war länger als ein halbes Jahr nicht zu Hause gewesen und wusste deshalb noch nicht, dass seine Schwester Joanna wieder guter Hoffnung war, der Müller seinen Schwager erschlagen hatte und kurz vor Weihnachten in Canterbury gehenkt worden war, ein kleines Erdbeben Waringham an Martinus aufgeschreckt hatte und Verschiedenes mehr.
Er setzte sich hin, schenkte sich einen Becher Ale aus dem Krug auf dem Tisch ein und lauschte interessiert. Als alle Neuigkeiten ausgetauscht waren, sagte er mit einer auffordernden Geste: »Lasst euch nicht stören. Oder soll ich euch lieber allein lassen?«
»Im Gegenteil«, erwiderte Conrad. »Ein Schaden der Zucht geht dich schließlich ebenso an wie mich.«
John hatte nach dem Tod seines Vaters nicht nur seinen geliebten Rappen Achilles, sondern auch zwei der Zuchtstuten geerbt. Durch den Verkauf ihrer Nachkommen verfügte er über ein bescheidenes Jahreseinkommen, das je nachdem schwankte, ob es Hengst- oder Stutfohlen waren, die sie zur Welt brachten, das es ihm aber eines Tages, wenn der Krieg einmal vorbei war, ermöglichen würde, zu heiraten und seine Familie zu ernähren, wenn auch in bescheidenen Verhältnissen.
»Ich habe dem König dreißig weitere Bogenschützen versprochen«, erklärte Raymond an John gewandt. »Du weißt so gut wie ich, dass wir alle Reserven mobilisieren müssen, denn jetzt geht es ums Ganze. Aber ich kann das Geld für die Ausrüstung und den Sold der Männer ja nicht scheißen, verflucht!«
Nur ein kleines Stirnrunzeln verriet Johns Missfallen ob dieser derben Wortwahl. Er sagte nichts.
»Ich versuche Raymond klar zu machen, dass er sich ins eigene Fleisch schneidet, wenn er Jährlinge verkauft. Jetzt bringen sie vielleicht dreißig oder vierzig Pfund. In zwei Jahren mehr als das Fünffache. Das ist Irrsinn«, bekundete Fitzroy erregt.
»Und es verstößt gegen getroffene Abmachungen«, fügte Conrad hinzu.
Alle drei sahen John erwartungsvoll an.
Dem jungen Mann wurde unbehaglich. Er hob die Linke zu einer matten Geste. »Sind wir so abgebrannt?«
Fitzroy nickte seufzend. »Euer Vater hat der Krone viel Geld geliehen.«
»Und was übrig war, hat Raymond für seine Weibergeschichten verjubelt«, knurrte Conrad.
Raymond war nicht ärgerlich. Mit einem entwaffnenden Lächeln entgegnete er: »Meine Weibergeschichten sind preiswert, Vetter. Aber der Krieg ist teuer.«
»Ja, deine patriotische Opferbereitschaft rührt mich zu Tränen. Aber du kannst deine Jährlinge nicht ohne meine Einwilligung verkaufen, so regelt es der Vertrag, den unsere Väter geschlossen haben, und meine Einwilligung bekommst du nicht. Ist das klar?«
»Halt die Luft an«, konterte Raymond. »Ich mache mit meinen Gäulen, was ich will. Dein Vertrag interessiert mich nicht. In der Normandie verrecken englische Soldaten auf einem verdammten Winterfeldzug, und du jammerst mir die Ohren voll wegen Geld .«
»Es hilft nichts, wenn ihr streitet …«, sagte Fitzroy beschwichtigend, aber weiter kam er nicht.
Conrad trat einen Schritt näher auf Raymond zu. »Vor drei Monaten hast du den Rubin meiner Mutter verscherbelt – ohne auch nur die
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