Die Hueter Der Rose
abzunehmen oder ein bisschen Heu zu bringen, aber Achilles wusste sich zu helfen und rupfte zufrieden an den Strohballen, die entlang der Wand aufgereiht waren.
Erst als John den Zügel losband, entdeckte er Juliana.
Sie hockte auf einem Strohballen in der Ecke zwischen der Außenwand und der ersten Box, hatte die Arme auf den angezogenen Knien verschränkt und sah ihn an. »Wie geht es Henry?«, fragte sie zur Begrüßung.
John nickte. »Prächtig. Er hat das Herz unserer gefürchteten Köchin erobert und darf in ihrer Kammer schlafen, obwohl er ständig auf der Jagd nach ihren Haubenbändern ist.«
Juliana lächelte nicht. »Ist das wirklich wahr?«, fragte sie argwöhnisch. »Ihr habt ihn mitgenommen und ihm nicht an der erstbesten Mauer den Schädel zertrümmert?«
John ließ Achilles’ Zügel los und trat einen Schritt näher auf sie zu. »Wofür haltet Ihr mich, Lady Juliana? Warum hätte ich das tun sollen, statt Euch die kleine Gefälligkeit zu erweisen, um die Ihr mich gebeten hattet?«
»Oh, ich weiß nicht …« Plötzlich rannen Tränen über ihre Wangen, und sie wandte hastig den Kopf ab.
John sah kurz über die Schulter. Weit und breit niemand zu sehen. Er setzte sich neben sie auf den Strohballen und ergriff ihre Rechte. Mit einem ersticken Laut riss sie die Hand zurück, und John war einen Augenblick gekränkt über ihre Zurückweisung, bis er die roten Striemen in ihrer Handfläche sah.
»Gott …«, murmelte er erschrocken.
Sie winkte ab, das Gesicht immer noch zur Wand gedreht. »Das ist nicht so schlimm.«
»Was habt Ihr denn verbrochen?«, fragte er bekümmert.
»Es wäre einfacher, Euch aufzuzählen, was ich nicht verbrochen habe. Alles außer herumsitzen und beten ist hier verboten. Jeden Morgen erwache ich mit dem Gefühl zu ersticken.«
»In vier oder fünf Tagen kehre ich auf den Kontinent zurück, Juliana. Dann holt er Euch nach Hause, Ihr werdet sehen.«
Sie lachte. »Wo soll das sein?«
Ihre Bitterkeit machte ihn ratlos. Sie schien so gar nicht zu dem Bild des unbeugsamen Wildfangs zu passen, das er sich gemacht hatte.
»Er war hier«, berichtete sie unvermittelt. »Gestern war er hier. Ich nehme an, er hatte etwas Geschäftliches mit der Äbtissin zu regeln, das tut er oft. Und er hat nicht nach mir geschickt, um mir guten Tag zu sagen.« Sie biss sich auf die Lippen, um ihr Schluchzen zu unterdrücken, aber es wollte nicht gelingen. »Ich sag Euch, es wäre besser, man würde Bastarde ersäufen so wie überzählige Katzenjunge.«
Ihm kam die Frage in den Sinn, ob sein neuer Knappe das vielleicht auch gelegentlich schon gedacht hatte.
Als könne sie seine Gedanken lesen, fuhr sie fort: »Wenn ich wenigstens ein Junge wäre, dann wär es nicht so schlimm. Ich könnte Soldat werden und dem König helfen, die verdammten Franzosen in die Knie zu zwingen. Niemand würde sich darum scheren, dass meine Mutter nur die Hure meines Vaters ist …«
John konnte es nicht länger aushalten, sie so reden zu hören. Er rückte ein klein wenig näher. »Schsch. Ihr irrt Euch, Lady Juliana. Ihr seid Eurem Vater teuer, das hat er mir gesagt.«
Ganz plötzlich schlang sie die Arme um seinen Hals und vergrub den Kopf an seiner Brust. »Ihr lügt mich an, um mich zu trösten. Das ist gut von Euch, aber eine Sünde.«
Starr vor Schreck über ihre plötzliche Nähe saß er da, sagte aber scheinbar ruhig: »Nein, es ist die Wahrheit.«
Sie schien ihn gar nicht zu hören. »Ich weiß ja, dass ich überhaupt kein Anrecht auf seine Zuneigung habe, denn ich bin nichts weiter als eine Peinlichkeit für ihn. Ein Missgeschick. Aber es ist so schwer, ganz ohne Liebe auszukommen.«
Ich liebe dich, dachte er, doch er war zu schüchtern, um es auszusprechen. Und er glaubte auch nicht, dass es seine Liebe war, die sie sich ersehnte, darum war er verblüfft, als sie fortfuhr: »Und nun heule ich Euer neues Gewand nass und jammre Euch etwas vor, statt geistreich zu plaudern oder wenigstens still und sittsam zu sein, und Ihr werdet davonreiten, sobaldEuer Gefühl für ritterlichen Anstand es erlaubt, und in Zukunft einen Bogen um mich machen.«
»Nein, Juliana.« Behutsam drückte er die Lippen auf ihre blonden Locken, wagte auch endlich, die Hand zu heben und ihr über den Rücken zu streichen. »Ich glaube nicht, dass ich das tun werde. Aber ich denke, es wäre weiser, wenn wir uns jetzt trennen, denn sollte man uns hier erwischen, wird Eure andere Hand auch noch fällig, und wenn der Bischof davon
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