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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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mäßig, wer ihn aufsuchte, und er blinzelte gegen das ungewohnte Licht.
    Der Gestank war nicht so schlimm, wie John erwartet hatte. Er entdeckte einen abgedeckten Eimer in einer Ecke, und die Strohschicht auf dem festgestampften Boden war frisch und dick. Das reinste Luxusquartier, schloss er bitter.
    Trotzdem war Chinon gezeichnet. Das ungepflegte Haar und der zottige Bart waren grau, Gesicht, Hals und Hände mager, der Blick gehetzt.
    John trat über die Schwelle und ging langsam auf ihn zu. Chinon sah ihm entgegen, ohne sich zu rühren, machte keine Anstalten, sich zu erheben.
    »Du kannst gehen.«
    Der Gefangene zeigte keinerlei Reaktion.
    »Na los doch.« John machte Anstalten, nach ihm zu treten, verfehlte ihn aber absichtlich. »Sieh zu, dass du wegkommst. Oder fühlst du dich inzwischen so heimisch, dass du noch ein Jährchen bleiben willst?«
    Chinon senkte den Kopf, stützte sich mit der mageren Hand an der Wand ab und kam langsam auf die Füße. Ein schwaches Pfeifen hatte sich in sein Atemgeräusch gestohlen, under schwankte ein wenig. »Ihr … lasst mich gehen?« Es klang verständnislos und angstvoll zugleich.
    John nickte knapp und ruckte das Kinn zur Tür.
    »Warum?«, fragte Chinon.
    »Dein Bruder hat dich freigekauft.«
    Es war nicht einmal eine Lüge. Da Geld in seiner Abmachung mit Gott keine Erwähnung gefunden hatte, sah er nichts Anstößiges darin, dass er Chinons Familie ein wenig geschröpft hatte. Das war üblich. Er konnte es gut gebrauchen. Und sie waren ihm etwas schuldig …
    Victor de Chinon fragte nicht, wie viel seine Freiheit gekostet hatte. Mit unsicheren Schritten bewegte er sich zur Tür, ohne John aus den Augen zu lassen.
    »Oben steht ein Gaul«, teilte John ihm mit. »Reite ins Dorf hinab, über die Brücke, den Weg entlang bis zur Straße. Dort wendest du dich nach Westen. Nach etwa einer Stunde erreichst du Rochester. Da wartet der Ritter deines Bruders, der das Lösegeld gebracht hat.«
    Chinon blieb an der Tür stehen, stierte auf die dicken, eisenbewehrten Eichenbohlen, die ihn fast ein Jahr lang von der Welt getrennt hatten, und fragte: »Wieso habt Ihr mich nicht getötet?«
    »Weil ich es nicht schnell und leicht hätte machen können. Und ich wollte nicht so tief sinken wie du.«
    John schauderte bei der Erinnerung, wie nah er manchmal daran gewesen war, diese Tür zu öffnen und unaussprechliche Dinge mit seinem wehrlos gefesselten Feind zu tun. Bevor er die Treppe hinabgestiegen war, waren die Erinnerungen an diese Rachgier fern und unwirklich gewesen. Aber hier unten kam alles mit Macht zurück. »Geh endlich!«, stieß er hervor.
    Chinon schien noch irgendetwas sagen zu wollen. Er sah John unverwandt an, und seine Lippen bewegten sich, aber was immer es war, das ihm auf der Seele lag, er brachte es nicht heraus. Schließlich verzog er schmerzlich das Gesicht, schlug mit der Faust gegen die Mauer, trat mit eingezogenem Kopf durch die niedrige Tür und verschwand.
    John wartete, bis Chinons Schritte verklungen waren. Dann folgte er ihm, schloss mit einem energischen Ruck die Tür zu dem schaurigen Verlies und lief eilig hinauf. Er missachtete alle Regeln der Vorsicht auf der Treppe und nahm immer zwei Stufen auf einmal.

3. TEIL
1429 – 1432



Windsor, Mai 1429
    J ohn hatte die Hände auf die Oberschenkel gestützt und wollte einen Moment verschnaufen, als der harte Lederball ihn mit einem satten Klatschen in den Rücken traf.
    »Na warte, mein König. Das wird dir noch Leid tun!« Er hob den Ball auf und lief los.
    Lachend rannte der siebenjährige Henry vor ihm davon und brüllte über die Schulter: »Ich war’s nicht! Ich war’s nicht! Tudor hat geworfen!«
    John blieb stehen, bedachte den Waliser mit einem erbosten Blick, täuschte und warf dann doch nach Henry. Aber der Junge reagierte schnell. Ehe der Ball vor seine magere Brust prallen konnte, fing er ihn auf, lief zum Flussufer hinab und warf ihn über die Schulter Tudor zu, der ihn ins Gras fallen ließ und zu John kickte. Doch der Schuss ging fehl, der Ball rollte zwischen John und dem kleinen König aufs Wasser zu, und alle drei setzten ihm nach. Sie erreichten ihn gleichzeitig und rangelten um ihr kostbares Spielzeug, benutzten Füße und Ellbogen, um die Mitstreiter abzudrängen. Henry steckte so wacker ein, wie er austeilte. Schließlich stellte er Tudor ein Bein, der der Länge nach hinschlug, den König mit sich riss und es irgendwie auch schaffte, John bei diesem Manöver zu Fall zu

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