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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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Linken, mit der er die Zügel hielt, erschlaffte mit einem Mal, und erwartungsgemäß blieb Mickey stehen. DerKutscher des Fuhrwerks gleich hinter John begann zu fluchen und brüllte: »Mach, dass du weiterkommst, Bengel! Hast du noch nie eine Brücke gesehen?«
    Doch, hätte John antworten können, aber noch nie eine Stadt auf einem Fluss. Abwesend stieß er Mickey die Fersen in die Seiten und ritt langsam weiter, wobei er sich immer noch verstört umblickte. Die steinerne London Bridge überspannte den mächtigen Fluss mit achtzehn Bögen. An jedem Ende stand ein bewachtes Tor, am Southwark-Ufer gab es zusätzlich eine Zugbrücke. Und auf beiden Seiten dieses gewaltigen Bauwerks erhoben sich Häuser, kleine und große, aus Holz oder aus Stein gebaut. John sah Schänken, Bäckereien und Wohnhäuser. Etwa auf der Mitte der Brücke entdeckte er gar eine Kirche, die, wie er später lernte, dem heiligen Thomas von Canterbury geweiht war. Alles in allem hatte London Bridge mehr Häuser vorzuweisen als Waringham, schätzte John, und das Menschengewühl aus Brückenbewohnern und Reisenden, der rege Verkehr, der in beiden Richtungen über die Brücke zog, ängstigten ihn so sehr, dass er für einen Augenblick erwog, kehrtzumachen und auf dem schnellsten Weg zurück nach Hause zu reiten. Aber er kämpfte diese beschämende Anwandlung sofort nieder. Er nahm die Zügel in die Rechte und legte die Linke leicht auf das Heft seines Schwertes. Der vertraute, kühle Stahl hatte etwas Beruhigendes. Mit klopfendem Herzen passierte der Junge das höhlengleiche Torhaus am anderen Ufer und die Männer der Stadtwache, die dort standen und das wilde Durcheinander mit gelangweilten Blicken verfolgten.
    Am nördlichen Ufer begann eine breite Straße, die noch ein wenig verstopfter war als die Brücke. Die dicht gedrängten Häuser zu beiden Seiten machten aus der Straße fast einen Hohlweg, und sobald John von der Morgenbrise am Fluss abgeschnitten war, roch er den Gestank von zu vielen Menschen und ihrem Vieh auf viel zu wenig Raum. Er war nicht wirklich überrascht, denn sein Bruder Raymond mokierte sich gern über den »Duft der Stadtluft«, doch er hatte nicht damit gerechnet, wie schlimm es war. London, erkannte John, war nicht nur verwirrendfür das Auge und geradezu schmerzhaft lärmend für das Ohr, es war vor allem eine Beleidigung für die Nase.
    »Kann ich Euch vielleicht behilflich sein, Sir?«, fragte eine Stimme zu seiner Linken.
    John wandte den Kopf. Einen Schritt neben ihm ging ein blond gelockter Novize in einer schwarzen Kutte. Er war etwa so alt wie John selbst und schaute mit einem gewinnenden Lächeln zu ihm hoch.
    »Wie kommst du darauf, dass ich Hilfe brauche?«, entgegnete John. Es klang hochmütiger, als er beabsichtigt hatte.
    Aber der angehende Benediktiner ließ sich nicht so leicht verschrecken. Er deutete ein Schulterzucken an. »Es gibt ein ganz bestimmtes Gesicht, das Fremde machen, die zum ersten Mal in der Stadt sind. So eine Mischung aus Staunen und Ekel. Bei Euch war es unverkennbar.«
    John erwiderte das Lächeln. »Du hast Recht. Aber ich glaube nicht, dass ich schon in Nöten bin. Ich muss nach Westminster. Wenn du mir vielleicht sagen könntest, welchen Weg ich einschlagen soll …« Er öffnete seine Börse, um einen Farthing herauszuholen, aber der Novize machte eine abwehrende Geste. »Nicht nötig. Wir haben den gleichen Weg. Der Bruder Prior hat mich mit einer Nachricht für den Abt nach Westminster ausgeschickt. Wenn Ihr wünscht, führe ich Euch.«
    John machte aus seiner Erleichterung keinen Hehl. »Das wäre großartig. Wie ist dein Name?«
    »Aloysius.«
    John saß ab und streckte Aloysius die Hand entgegen. »John.« Dann nahm er Mickey am Zügel und ging Seite an Seite mit seinem Führer die Straße entlang.
    Den Fluss zu ihrer Rechten, kamen sie an großen Kais und Lagerhäusern vorbei, und Aloysius erklärte John, wem sie gehörten, was sie enthielten und welche Waren die Schiffe brachten oder auf den Kontinent schafften. John lauschte ihm interessiert. Nachdem er seinen Schrecken über das Straßengewirr und die vielen Menschen einmal überwunden hatte, erwachte seine Neugierde, und er wollte alles über diese wundersameStadt erfahren. Längst hatte die Sonne den Dunst des frühen Morgens verzehrt, ließ die Häuser und Schiffe in hellem Frühlingslicht erstrahlen, verlieh dem Fluss einen bläulichen Schimmer und schien den beiden Jungen geradewegs ins Gesicht.
    Als dieser letzte

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