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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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des Priesters betrat. »Das glaub ich einfach nicht …«
    Der Dorfpfarrer von Waringham saß beim Licht einer rußenden Talgkerze am Tisch und las leise aus einem dicken Buch vor. Raymond war nicht wirklich überrascht, als er hörte, dass es die Bergpredigt in englischer Sprache war. Bibelübersetzungen waren ebenso verboten und ebenso populär wie die Ketzerlehren der Lollarden. Schon der Besitz eines solchenBuches reichte aus, um vor ein kirchliches Gericht gestellt zu werden. Doch Raymond sparte sich seine Vorwürfe für einen späteren Zeitpunkt.
    Vater Egmund gegenüber saß ein sehr junger Mann mit einer Wolldecke um die Schultern. Er lauschte dem Priester mit andächtig gesenktem Kopf, aber Raymond sah dennoch, wie geschwollen und entstellt sein Gesicht war. Cliftons Männer hatten ihn geschlagen, schloss er, und zwar übel.
    »Gott zum Gruße, Vater Egmund.«
    Der junge Flüchtling fuhr erschrocken auf, als er Raymonds Stimme hörte, doch der Geistliche machte eine beschwichtigende Geste. »Es ist gut, mein Sohn. Keine Angst. Tretet ein, Mylord.«
    Raymond bedachte ihn mit einem verstohlenen Kopfschütteln, kam der Aufforderung aber nach, und als er an den Tisch trat und die Kerze ihn nicht mehr blendete, entdeckte er, dass Vater Egmund noch weitere Besucher hatte. Auf dem schlichten Strohsack in der Nische hinter dem Herd lag eine junge Frau, deren Gesicht ebenso übel zugerichtet war wie das des Jünglings, und an ihrer Seite kniete Liz Wheeler und versuchte, ihr aus einem Becher einen ihrer widerlichen, heilsamen Tees einzuflößen.
    »Lizzy …«, murmelte Raymond verdattert.
    Sie sah nur einen Moment auf. »Mylord.«
    »Was hast du mit dieser verdammten Geschichte zu tun?«
    »Sieh sie dir doch an«, bekam er zur Antwort. »Was soll ich tun? Die Hände in den Schoß legen, weil sie vielleicht Ketzer sind?«
    Raymond schüttelte ratlos den Kopf. »Keine Ahnung.«
    Er wusste nicht mehr so recht, was er denken sollte. Das Mädchen war gewiss nicht älter als fünfzehn; eine Tuchmachertochter aus Sevenelms, tippte er, der man noch ansehen konnte, dass ihre Vorfahren vor rund hundert Jahren aus Flandern nach England gekommen waren. Cliftons Männer hatten sie sich genauso vorgenommen wie den Jungen am Tisch, vermutlich um Namen und Schlupfwinkel weiterer Lollarden aus ihr herauszubringen.Raymond konnte sich unschwer vorstellen, was sie mit ihr getrieben hatten, um sie mürbe zu machen.
    »Und was soll nun aus ihnen werden?«, fragte er Conrad und Egmund.
    »Wenn du es duldest, bleiben sie noch ein paar Tage hier«, antwortete sein Cousin. »Dann bringe ich sie nach Sandwich zu einem … Freund. Er besorgt ihnen eine Passage nach Flandern oder zu einem der Hansehäfen.«
    Raymond nickte. Es hörte sich an, als seien Egmund und Conrad Teil eines gut organisierten Lollarden-Schmugglerrings, aber wenn es so war, wollte er nichts Genaueres darüber wissen. Er trat an den Tisch und überflog ein paar Zeilen der englischen Bibel. Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden … Selig sind die Sanftmütigen, denn sie sollen das Erdenreich besitzen.
    »Das klingt sehr hübsch«, musste er einräumen. »Wer hat das geschrieben?«
    »Ich«, gestand Egmund nach einem fast unmerklichen Zögern und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Das Wort ist von Gott, die Übersetzung von mir.«
    Raymond nickte und las leise murmelnd weiter: »Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.«
    Der Priester wies mit einer verstohlenen Geste auf den jungen Mann am Tisch. »Sie sind friedfertig. Sie haben niemanden zur Rebellion gegen die Krone angestiftet.«
    »Aber mit dem, was sie glauben und predigen, rebellieren sie gegen Kirche und Papst.«
    »Das ist wahr, Mylord. Urteilt selbst, ob sie das, was sie dafür bekommen haben, verdienen.«
    Raymonds Blick wanderte wieder zu dem geschundenen Mädchen, dann zu dem jungen Kerl in der Wolldecke. »Ist sie deine Schwester?«
    Der Junge schüttelte langsam den Kopf, und Tränen rannen über sein geschwollenes Gesicht. »Wir wollten nächsten Monat heiraten.«
    »Wenn du nur einen Funken Anstand hast, tust du’s trotzdem«,entgegnete Raymond barsch. »Du hast sie nicht vor dem bewahrt, was ihr passiert ist, also trägst du die Schuld.«
    Der Flüchtling stützte den Kopf in die Hand und schluchzte.
    Liz Wheeler wandte sich einen Moment zum Tisch um und bemerkte: »Du nimmst den Mund ziemlich voll, Raymond of Waringham.«
    Er kratzte sich am Kopf.

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