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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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den Mann von hinten und zerrte ihn in eine dunkle Toreinfahrt.
    »Ein Laut, und du bist tot«, zischte er und setzte dem Wachsoldaten den Dolch an die Kehle.
    Seinem Opfer stockte der Atem. »Ich hab nicht viel, aber du kriegst es. Töte mich nicht, bitte …«
    John lächelte zufrieden. Er hatte gewusst, dass der Kerl ein Feigling war. Er hatte es an der unterschwelligen Verachtung, mit welcher seine Kameraden ihn behandelten, gemerkt. »Behalt deine Pennys. Ich will nur eine Auskunft.«
    »Was?«, fragte der Mann verdattert. »Aber …«
    John stieß ihm ein Knie in die Nieren. »Sei still.«
    Der Gefängniswärter schwieg folgsam.
    »Eben in der Schänke habt ihr von einem Kerl gesprochen, den ihr den ›Alten‹ genannt habt. Ist das der Kerkermeister vom Newgate?«
    »Ja, Sir.«
    »Und du und alle Wachen, ihr zittert vor ihm, ja?«
    »So ist es, Sir.«
    »Hm.« Nun, John hatte nicht erwartet, dass der Mann, der den schlimmsten Londoner Abschaum zu verwahren hatte, ein Engel der Barmherzigkeit sein würde. »Wie ist sein Name?«
    »William Talbot.«
    Dieses Mal war John derjenige, dem der Atem stockte. Er kannte einen Mann dieses Namens. Und er hatte keine guten Erinnerungen an ihn.
    »Wo wohnt er?«
    »Ich hab keine Ahnung, Sir, ehrlich …«
    John ritzte ihm die Haut unterhalb des Kinns ein, gar nicht weit von der Schlagader entfernt.
    Der Mann wimmerte angstvoll. »Holborn Street!«
    »Brüll nicht so laut«, fuhr John ihn scharf an. »Die Holborn Street ist lang.«
    »Zweites Haus hinter der ersten Kirche hinter dem Newgate.«
    »Wenn du mich anlügst, Freundchen, werd ich dich finden, und dann schneid ich dir die Eier ab und seh zu, wie du verblutest.«
    Der arme Wicht fing an zu heulen. »Es ist die Wahrheit, ich schwör’s …«
    »Na schön.« John glaubte ihm und beförderte ihn mit einem Tritt Richtung Straße. »Verschwinde. Und dreh dich ja nicht um.«
    Der Kerl rannte wie ein Hase.
    John schaute ihm mit verengten Augen nach. Er verabscheute Feiglinge, aber es bereitete ihm kein Vergnügen, einen Menschen in solche Angst zu versetzen. Er musste feststellen, dass die Jahre als Henrys Leibwächter ihn verweichlicht hatten, und riet sich schleunigst, sich zu stählen. Denn was er alsNächstes tun musste, war weit schlimmer, als einem Hasenfuß ein paar Auskünfte abzupressen.
     
    Handwerker und kleine Kaufleute teilten sich die Gegend um die Holborn Street, und allmählich durchschaute John, dass das Leben in London nicht so grundlegend anders war als in Waringham, wie er immer angenommen hatte. Die Menschen eines Viertels bildeten auch hier eine Gemeinschaft, so wie in einem Dorf, besuchten dieselbe Pfarrkirche, hatten denselben Bäcker, kauften ihr Schuhwerk beim selben Schumacher. Sie kannten sich und wussten alles übereinander. So fand er mit einem Besuch im Wirtshaus und einem längeren Aufenthalt am öffentlichen Brunnen heraus, dass William Talbot ein Agincourt-Veteran, bei seinen Nachbarn aber dennoch ebenso schlecht gelitten war wie bei seinen Untergebenen und dass er sich jeden Sonnabend voll laufen ließ und Frau und Kinder verprügelte, wenn er heimkam.
    John hatte alles erfahren, was er wissen musste.
    Er kehrte nach Farringdon zurück, tauschte seine Stallknechtmontur gegen seine guten Kleider und ritt auf Ägeus wieder zur Holborn Street. Die Leute starrten ihm nach – ein so edles Ross bekam man in dieser Gegend nicht häufig zu sehen. John ignorierte den Gruß der Passanten mit adligem Hochmut. Da er den Mantel auf links trug, rätselten sie vergeblich, wer der feine Gentleman wohl sei.
    In der frühen Dämmerung kam er zu Talbots Heim. Es war ein solide gebautes Fachwerkhaus mit frischen Strohschindeln auf dem Dach, auch die Fensterläden waren vor nicht gar zu langer Zeit gestrichen worden. Es wirkte ordentlich und strahlte einen bescheidenen Wohlstand aus. Neben dem Haus, ein paar Yards zurück von der Straße, lag der Viehstall, und hinter Haus und Stall, mutmaßte John, gab es gewiss einen Garten, wo Mistress Talbot für sich und ihre Familie Kohl und Bohnen anbaute.
    John saß ab, warf einen verstohlenen Blick zum Haus hinüber und ging dann zum Stall. Er hatte Glück: Ein vielleichtsechsjähriger Junge stand über den Pferch gebeugt und fütterte ein fettes Schwein aus einem Holzeimer.
    »Eine schöne Sau hast du da, Junge«, begrüßte John ihn.
    Der Knabe hob den Kopf. Seine Miene war wachsam – vermutlich fürchtete er, der Fremde wolle das Schwein stehlen. Doch als er

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