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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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dicke Tränen rannen seine rundlichen Wangen hinab. Aber er nickte.
    John lächelte ihm zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und führte ihn ins Haus. An der Schwelle blieb der Junge wie angewurzelt stehen und zog scharf die Luft ein. »Ein Spukhaus …«
    »Nein, nein. Es war nur ein paar Jahre unbewohnt.«
    Da Will keine Anstalten machte, von allein weiterzugehen, hob John ihn auf den Arm und trug ihn die Treppe hinauf ins Schlafgemach. Dort war es stockfinster, denn er hatte das Fenster mit Brettern vernagelt. Er tastete sich zum Bett vor und setzte Will auf der nackten Matratze ab. Sie war von Stockflecken übersät, aber davon war jetzt nichts zu erkennen. Gut so.
    John ging zur Tür. »Ich muss dich hier einsperren, Will, es geht nicht anders. Aber ich verspreche dir, es dauert nicht lange. Ich komme wieder, und dann bringe ich dich nach Hause. Hast du mich verstanden, Junge?«
    Will begann bitterlich zu weinen. »Bitte, Sir … Bitte nicht. Lasst mich nicht allein im Dunkeln im Spukhaus. Bitte nicht, ich tu auch alles, was Ihr sagt …«
    John zog die Tür zu, schob den Riegel vor, den er von außen angebracht hatte, und verschloss sein Herz. Stell dich nicht so an, verfluchter Bengel, dachte er. Mein Bruder war wochenlang im Tower eingekerkert, als er so alt war wie du. Das war schlimm. Dies hier ist gar nichts.
    Aber Raymond war nicht allein eingesperrt, antwortete eine hartnäckige innere Stimme. Und sie sagte John auch, was er gar nicht hören wollte: Das kannst du nicht machen.
    Mit gesenktem Kopf stand er vor der Tür und lauschte. Wills Schluchzen verschlimmerte sich. Er verschluckte sich, wimmerte, heulte – er war vollkommen außer sich vor Furcht. Plötzlich musste John an den alten König von Frankreich denken, der vor Furcht den Verstand verloren hatte.
    Mit einem unterdrückten Fluch zog er den Riegel wieder zurück. »Na schön, Söhnchen …« Er trat ans Bett, tastete, bekam den Jungen zu fassen und hob ihn wieder hoch. »Hör auf zu flennen. Es ist ja gut.«
    Obwohl er nicht besonders freundlich sprach, schlang Will die Arme um seinen Hals und klammerte sich an ihn. »Bittebittebitte, Sir …«
    »Ja, ja«, knurrte John und trug ihn zur Tür. »Jetzt halt endlich die Klappe.«
    Er brachte Will aus dem Haus, durch den Hof und über die Straße und klopfte an die Tür der Hornschnitzerwerkstatt. Mit Mühe entzifferte er im Zwielicht den Namen auf dem bemalten Holzschild: Thomas Odyham.
    Ein Mann in Raymonds Alter öffnete ihm. Er hielt seine Öllampe hoch, betrachtete verwundert den Edelmann mit dem abgerissenen, schniefenden Jungen im Arm und fragte: »Was gibt’s?«
    »Master Odyham? Mein Name ist John of Waringham, und ich hätte gern die alte Mistress gesprochen. Wir haben uns heute Vormittag kennen gelernt.«
    Der Hornschnitzer nickte und hielt ihm die Tür auf. »Das hat sie mir erzählt. Sie ist meine Mutter. Kommt rein, Sir.«
    John folgte ihm durch die Werkstatt in eine geräumige Küche, wo die alte Frau am Herd vor einem Spinnrad saß. Es war ein behaglicher Raum: Ein Kessel hing über dem Feuer und verbreitete Kohlgeruch, der intensiv, aber nicht unangenehm war. Auf dem Tisch standen ein Bierkrug, Becher und ein Binsenlicht.
    Will sah sich mit großen, unruhigen Augen um, aber das nackte Entsetzen war aus seinem Blick gewichen.
    John stellte ihn auf die Füße, legte ihm die Hand auf die Schulter und deutete vor der alten Frau eine Verbeugung an. »Ihr sagtet vorhin, ich dürfe zu Euch kommen, wenn ich etwas brauche, Mistress.«
    Sie sah ihn an, ohne dass ihr Fuß oder ihre Hände in ihren Verrichtungen innehielten. »Und was mag es sein, das Ihr braucht, Sir John?«
    »Nun, vor allem Euer Vertrauen. Und Eure Verschwiegenheit …«
     
    Eine halbe Stunde später kam John zum zweiten Mal an diesem langen, langen Tag zum Newgate, dieses Mal unverkleidet und hoch zu Ross. Vor dem Haupteingang des Gefängnisses saß er ab und warf dem linken der beiden Wachsoldaten die Zügel zu.
    Instinktiv fing der Mann sie auf, fragte aber abweisend: »Ihr wünscht, Sir?«
    »William Talbot«, antwortete John knapp.
    »Und Euer Name?«, fragte der Wächter auf der rechten Seite der Tür.
    John sah ihm in die Augen. »Den sag ich ihm selbst. Wirst du mich jetzt zu ihm bringen, oder muss ich mit dem Sheriff wiederkommen?«
    Es hat doch vielerlei Vorzüge, von vornehmer Geburt zu sein, dachte John nicht zum ersten Mal. Es gab eine bestimmte Art von Autorität, die nur Angehörige seiner Klasse

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