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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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lassen, um einen unschuldigen Mann hier einzusperren?«
    Talbot änderte die Strategie und leugnete nicht länger. Mit einem Achselzucken brummte er: »Sie wären weniger schockiert, als Ihr vielleicht annehmt. Und jetzt seht zu, dass Ihr wegkommt, wenn Ihr Eurem walisischen Kumpel nicht ein paar Tage Gesellschaft leisten wollt.«
    John lächelte humorlos. »Ich glaube, dass solltest du dir noch mal gut überlegen.« Scheinbar zufällig rutschte sein Mantel über die Schulter zurück und entblößte das Heft seines Schwertes.
    William Talbot hatte keine guten Erinnerungen an dieses Schwert, aber er sagte lediglich: »Ihr verkennt die Lage der Dinge, Sir John. Ich bin, wenn Ihr so wollt, der König von Newgate. Es ist nur ein kleines Reich, aber ich beherrsche es vollkommen. Hier geschieht nichts ohne meinen Befehl, aber hier geschieht alles, was ich befehle. Und was immer das ist, kein Wort darüber verlässt diese Mauern. Also seid klug und verschwindet, denn Ihr könnt mir keine Angst einjagen.«
    »Deinem Sohn Angst einzujagen ist hingegen nicht besonders schwierig«, entgegnete John im Plauderton.
    Talbot stand für einen Moment stockstill. Dann machte er einen Schritt auf ihn zu. »Mein Sohn?«
    John ließ ihn nicht aus den Augen. Er wusste, dies war der entscheidende Moment. »Will. Netter Junge.«
    »Was habt Ihr mit ihm …«
    »Du bleibst, wo du bist«, fuhr John ihn an und legte die Rechte ans Heft. »Ich hab ihn mir geschnappt, Talbot. Er ist eingesperrt, wie deine Schäfchen hier, allein im Dunkeln und ohne einen Krümel Brot. Er hat geheult wie ein Besessener, als ich ging.« Tatsächlich hatte Will fröhlich und fidel mit einer Schale Kohlsuppe bei Mistress Odyham in der Küche gesessen, als John ihn verließ, aber es konnte keinesfalls schaden, wenn Talbot das Gefühl bekam, Eile täte Not. »Du kannst ihn zurückbekommen. Das ist das Geschäft, das ich dir anbiete: Ich bekomme Tudor – jetzt gleich –, und du bekommst deinen Sohn. Doch wenn du meine Forderung nicht erfüllst oder auf die Idee verfällst, mich hier festzuhalten, wird der Bengel elend verhungern und verdursten. Ganz allein im Dunkeln.« Er verschränkte die Arme. »Such es dir aus.«
    John, der nie so recht begriff, was in den Herzen und Köpfen der einfachen Leute vorging, war nicht sicher gewesen, ob Talbot seinen kleinen Sohn – den er ja bekanntlich jeden Sonnabend verdrosch – genug liebte, um ein Opfer für ihn zu bringen. So fiel er aus allen Wolken, als er nun beobachtete, wie Talbot einknickte. Der vierschrötige, derbe Kerl, der keine Bedenken gehabt hatte, eine gefesselte französische Jungfrau zu schänden, sank auf den Schemel, als sei alle Kraft aus seinen Gliedern gewichen, und vergrub das Gesicht in den Händen. »O Gott … Tut ihm nichts, Sir John. Ich flehe Euch an, tut ihm nichts.«
    John schnipste ein Stäubchen von seinem Mantel. »Es liegt allein bei dir.«
    Eine kleine Weile war nichts zu hören als Talbots schnaufender Atem. Dann erhob sich der Kerkermeister schwerfällig, warf John einen flackernden, unterwürfigen Blick zu und ging zur Tür. »Kendall, geh und hol Tudor«, befahl er der Wache auf dem Korridor.
    »Welcher ist das, Master Talbot?«
    »Rothaariger Waliser. Untergeschoss.«
    »Ach, der. Aber der kann schon seit Wochen nicht mehr laufen, Sir.«
    John schloss einen Moment die Augen. Dann trat er durch die Tür. »Bring mich zu ihm.«
    Kendall sah ratsuchend zu seinem Vorgesetzten.
    Talbot nickte. Er nahm einen gewaltigen Schlüsselbund vom Tisch und hängte ihn sich an den Gürtel. »Ich geh voraus, Sir John.«
    Draußen auf dem Korridor – abgeschnitten von dem kleinen Fenster der Wachkammer – war der widerwärtige Gestank wieder so schlimm, dass Johns Kehle sich zu schließen drohte. Er folgte Talbot und Kendall, der die Fackel trug, und widerstand mit Mühe dem Drang, einen Ärmel vor Mund und Nase zu pressen.
    Durch den stillen Korridor ging es wieder, die Treppe hinab, dann unten einen ähnlichen Gang entlang. Hinter einer der Türen war ein Heulen zu vernehmen, das dem des kleinen Will Talbot nicht unähnlich war. Ein paar Schritte weiter drangen dumpfe Schläge und jammervolle Schreie durch die Tür. Die Londoner haben Recht, fuhr es John durch den Kopf. Das hier ist wie ein Vorgeschmack auf die Hölle.
    Aber im Kellergeschoss wurde es schlimmer. Die Decke war niedriger, die Dunkelheit erdrückender, der Gestank noch würgender, die Kälte eisiger. Grünlichweiß leuchtete der Schimmel

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