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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose
Autoren: Rebecca Gable
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einem ihm unbekannten Mann am Eingang. Und ehe Henry sich noch erkundigen konnte, was diese ungehörige Störung seiner Unterredung mit seinen beiden wichtigsten Beratern zu bedeuten habe, trat der Fremde auf ihn zu und kniete vor ihm nieder. »Mein König.« Die Stimme bebte ein wenig.
    Henry sah vor sich einen hageren Mann mit breiten Schultern und grauem Haar, und obwohl dieses Gesicht ihm unbekannt war, hatte es doch auf unbestimmte Weise etwas Vertrautes. »Wer seid Ihr, Sir?«, fragte er.
    »John Beaufort, Mylord.«
    Henry riss die Augen auf. »Mein Cousin Somerset?«
    Der lächelte. »So ist es.« Er ergriff die Hand des Königs mit seinen beiden und sah ihm in die Augen. »Es tut mir Leid, dass ich all die Jahre Eurer Jugend nicht an Eurer Seite sein konnte. Kein Tag ist vergangen, ohne dass ich an Euch gedacht und für Euer Wohlergehen gebetet habe. Und nun bin ich wieder hier – und gekommen, um Euch endlich meinen Lehnseid zu schwören und Euch meine Dienste und mein Schwert anzubieten.«
    Der junge König stand auf, zog Somerset auf die Füße und umarmte ihn innig. »Die ich mit Freuden annehme, Cousin. Gott sei gepriesen, dass Ihr endlich zurück seid, wahrlich und wahrlich. John, Euer Bruder, seine Eminenz und viele andere hier haben Euch so schmerzlich vermisst. Und ich ebenfalls, Sir, obwohl wir uns noch nie begegnet waren.«
    Sie sahen sich einen Moment in die Augen, und beide lächelten.
    »Willkommen in England, Somerset«, knurrte der Herzog.
    »Oh, wärmsten Dank, Gloucester. Ich weiß, es kommt von Herzen«, erwiderte der jüngere Mann eher amüsiert als verbittert.
    »Ich bin sicher, der König brennt darauf, Euch Euren Eid abzunehmen, aber wenn Ihr uns noch ein Weilchen entschuldigen wollt, wir haben wichtige Entscheidungen …«
    Henry unterbrach ihn mit einem Wink, als verscheuche er eine lästige Stechmücke. »Nehmt Platz, Cousin. Und erklärt mir, was Ihr meintet, als Ihr gesagt habt, Frankreich habe schon einmal mehr als einen König gehabt.«
    Somerset setzte sich auf den angebotenen Sessel, legte die Hände auf die Knie und erwiderte: »Nun, ich bin sicher, Ihr kennt die Geschichte Karls des Großen, nicht wahr? Seine Enkel teilten das fränkische Reich untereinander auf und herrschten gleichberechtigt, ohne dass der eine dem anderen lehnspflichtig war. Sie sind kein sehr glückliches Beispiel«, schränkte er grinsend ein, »da sie sich immerfort gegenseitig bekriegt haben, aber das Prinzip der Machtaufteilung ist in Frankreich nicht unbekannt. Es gibt andere Beispiele. Unser König William etwa teilte sich die Macht in Frankreich mit seinem Cousin, König Philipp. Zwei gekrönte Häupter. Darum hat seine Eminenz meines Erachtens Recht, man könnte über einen solchen Vorschlag nachdenken. Er bedeutet keinen Gesichts- oder Machtverlust.«
    »Was fällt Euch eigentlich ein, Somerset?«, grollte Gloucester. »Nach zwanzig Jahren taucht Ihr aus der Versenkung auf und wollt hier den Ratgeber spielen, obwohl Ihr doch gar keine Ahnung habt, wie die Lage auf dem Kontinent sich darstellt? Das ist absurd.«
    »Es waren nur siebzehn Jahre«, widersprach Somerset geduldig. »Und ich kenne die Lage besser als Ihr, Gloucester, denn ich war dort.«
    »Aber Ihr …«
    »Wir werden ihn anhören«, fiel Henry seinem Onkel ins Wort. Die neue Autorität, die er besaß, seit die Regierungoffiziell in seine Hände gelegt worden war, schwang in seiner Stimme, und Gloucester fügte sich, wenn auch unwillig.
    Der Kardinal lehnte mit verschränkten Armen an der Wand, sagte überhaupt nichts mehr, sondern beschränkte sich darauf, zufrieden vor sich hin zu lächeln. Er tauschte einen verstohlenen Blick mit John und zwinkerte ihm zu.
    John stand ein paar Schritte entfernt an der Tür, offiziell auf Wache, in Wahrheit aber, weil er diese erste Begegnung zwischen Henry und Somerset um keinen Preis versäumen wollte. So viele Male hatte er sich in der Vergangenheit gewünscht, Somerset wäre hier, um seinen Cousin durch dessen schwierige Jugend zu geleiten, ihm ein Vorbild, Freund und Ratgeber zu sein. Und nun wurde er Zeuge, wie Somerset binnen weniger Minuten jede dieser Rollen übernahm, mit einer Selbstverständlichkeit, als streife er alte, vertraute Kleidungsstücke über.
    Somerset hatte die Jahre der Gefangenschaft in Abgeschiedenheit und mit dem Studium unzähliger Bücher verbracht, und sie hatten ihn ein wenig weltfremd gemacht. Gepaart mit seinem asketischen Äußeren verlieh diese Eigenschaft ihm
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