Die Hueter Der Rose
will ihn freilassen.«
Der König nickte. »Ich hole ihn her. Er ist unser Cousin, und wir behandeln ihn wie einen Aussätzigen.«
»Harry«, begann sein Onkel Exeter bedächtig. »Wie üblich ehrt dich deine Großmut. Aber der Junge kann sehr gefährlich werden, weil er eben ist, wer er ist. Ich meine, es ist ja nicht so, als liege er in Ketten in einem lichtlosen Verlies. Er hat es gut dort, wo er ist. Lass es dabei, wenigstens vorläufig.«
»Kein Mann in Unfreiheit hat es gut«, widersprach Raymond. »In Trim schon mal gar nicht.« Er wechselte einen kurzen Blick mit dem König. Sie hatten zusammen ein paar schwere Wochen auf der abgelegenen irischen Burg verbracht. »Harry hat Recht«, fuhr Raymond an die Lords gewandt fort. »Es wird Zeit, dem jungen March die Chance zu geben, dem König seine Treue zu beweisen, denn …«
»Es wäre Irrsinn!«, fiel Lord Scrope ihm mit unterdrückter Heftigkeit ins Wort. »Wir würden allen potenziellen Rebellen eine Leitfigur präsentieren. Auf einem Silbertablett!«
»Aber anders als mein Vater fürchte ich keine Rebellion«, entgegnete der König betont leise. »Denn anders als mein Vater bin ich von der Rechtmäßigkeit meines Thronanspruchs überzeugt. Ich bin kein Usurpator, Gentlemen. Ich bin der gesalbte König von Gottes Gnaden. Auch wenn ich das immer noch nicht so recht glauben kann.« Er zeigte sein charmantes Jungenlächeln. »So lange wir March eingesperrt lassen, wird die Welt glauben, ich fürchte mich vor ihm. Aber das ist nicht der Fall.«
Bischof Beaufort fuhr versonnen mit einem beringten Finger über den Rand seines Bechers, schaute mit halb geschlossenen Lidern von Raymond zu Scrope und wieder zurück. Dann nickte er dem König zu. »Lass ihn frei und hol ihn her.«
Harry brummte zufrieden.
»Und wir könnten noch etwas tun«, sagte Raymond.
Alle sahen ihn an.
Er hob unbehaglich die Schultern. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder war Schüchternheit keine Eigenschaft, unter der er sonderlich zu leiden hatte. Aber er fühlte sich nie wohl in seiner Haut, wenn man von ihm verlangte, in großen politischen Zusammenhängen zu denken, wie etwa in dieser Runde. »Du könntest darüber nachdenken, Richards Leichnam umzubetten, Harry. Nach Westminster an die Seite seiner Gemahlin, wohin er gehört.«
Einen Moment herrschte schockierte Stille, und Raymond wappnete sich für den Sturm der Entrüstung, der auch prompt losbrach.
»Was für eine kranke Idee, Raymond«, rief Exeter empört aus.
»Das ist ja geradezu verräterisch …«, knurrte Scrope.
Auch die Brüder des Königs schüttelten befremdet die Köpfe.
Harry hob die Hand. Es war eine gebieterische Geste, die er perfekt beherrschte. Sofort kehrte Stille ein. »Sprich weiter, Raymond.«
Der nahm einen tiefen Zug aus seinem Becher, um sich zustärken. »Na ja. Ihr alle wisst, dass Richard mir nicht der liebste König war, der je auf Englands Thron gesessen hat.«
Hier und da zeigte sich ein unbehagliches Lächeln. Tatsächlich hatte Raymond ebenso wie sein Vater das Seine dazu beigetragen, diesen tyrannischen König zu stürzen – eine Tatsache, die heute niemand mehr besonders gern erwähnte.
Beinah trotzig fuhr Raymond fort: »Was wir damals getan haben, würde jeder von uns wieder tun. Aber er war König von England, und jetzt liegt er irgendwo unbeachtet in einem schmucklosen Grab. Wo war’s gleich wieder? King’s Langley?«
Hier und da wurde genickt.
Raymond breitete kurz die Hände aus. »Aber er gehört hierher . Wenn wir ihn herholen und feierlich beisetzen, tun wir das, was recht ist, und beweisen der Welt gleichzeitig, dass wir uns nicht vor dem Schatten fürchten, den er noch werfen mag.«
»Nein, es wäre viel zu riskant«, widersprach Gloucester. »Der tote Richard könnte Harrys Stellung weit mehr bedrohen als der lebendige Earl of March. Richards Name war von Anfang an das Argument all derer, die keinen Lancaster auf dem Thron wollten, ganz gleich aus welchem Grund. Die Lollarden haben gar das Gerücht in die Welt gesetzt, er sei gar nicht tot, sondern nach Schottland geflohen, und sie werden ihn zurückholen und wieder einsetzen.«
Das entlockte dem König nur ein müdes Lächeln. »Ein Grund mehr, ihn in Westminster Abbey beizusetzen, wie es einem König gebührt. Das würde dieser wilden Geschichte wohl jeglichen Boden entziehen.«
»Da wär ich nicht so sicher …«
Der Bischof rollte einen Schluck Rotwein über die Zunge, ließ ihn genüsslich die Kehle
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