Die Hueter Der Rose
welcher Sprache sie geführt werden sollen.«
»In welcher Sprache?«, wiederholte Mortimer erstaunt.
»Die Franzosen wollen Französisch«, erklärte Raymond. »Unsere Unterhändler bestehen auf Latein. Und unterdessen hat der König seinen Bruder Bedford zu Vater geschickt, um ihn zu überreden, ihm im Frühjahr alle Pferde zu verkaufen und keine Auktion abzuhalten.«
»Was dein Vater nicht tun wird.«
»Nein, da sehe ich auch schwarz. Es sei denn, Bedford gelingt es, an Vaters Patriotismus zu appellieren. Jedenfallsspricht einiges dafür, dass wir dieses Jahr in den Krieg ziehen, Mortimer.«
»Nun, dagegen habe ich auch nichts. Margery ist schon wieder guter Hoffnung. So geht es wirklich nicht weiter, weißt du. Wenn ich so viel zu Hause bin, kriegt sie jedes Jahr ein Kind.«
Raymond lachte in sich hinein und schaute sich mit leuchtenden Augen um. Er war froh, dass er Mortimers Vorschlag gefolgt war und sich mit ihm zusammen für ein paar Stunden vom Weihnachtshof in Eltham absentiert hatte. Nirgendwo in England waren die Wälder so schön wie in Kent, dachte er nicht zum ersten Mal. Vor allem an einem sonnigen Wintertag, wenn die Eisschollen auf den Bächen in allen Farben des Regenbogens funkelten. Obschon es in der vergangenen Nacht noch geschneit hatte, zogen sich bereits wieder zahllose Fährten durch die weiche Schneedecke und kündeten von der Vielfalt an Wild, die man hier selbst in der kalten Jahreszeit antraf. Des Königs Förster hatten gewiss alle Hände voll zu tun, die Krippen gefüllt zu halten, um die Rehe und Hirsche für die königliche Jagd über den Winter zu bringen.
»Warst du in Waringham in letzter Zeit?«, fragte Raymond schließlich beiläufig.
Mortimer schüttelte den Kopf, ohne eine Erklärung oder Rechtfertigung. Raymond wusste ganz genau, warum sein Stiefbruder Waringham mied.
»Ich dachte nur, du hättest Jo und die kleine Blanche besucht. Immerhin ist sie auch deine Nichte. Und trägt den Namen deiner Mutter.«
»Ja. Wärmsten Dank für deine Belehrungen, Raymond, aber das weiß ich selbst.« Mortimers Stimme klang eher duldsam als scharf. »Es geht ihnen gut. Joanna und ich stehen in regelmäßigem Briefkontakt, wie du dich vielleicht erinnerst. Die kleine Blanche hatte Ende November eine Erkältung, und alle waren in Sorge. Aber nun ist sie wieder gesundet und …« Er brach ab, weil auf dem Pfad vor ihnen ein seltsames Geklimper erklang.
Ohne dass eine Absprache nötig gewesen wäre, hielten sie an und lauschten. Raymond legte kurz die Linke an das Heftseines Schwertes und vergewisserte sich, dass die Klinge trotz der eisigen Kälte locker in der Scheide saß.
Das Geräusch kam unzweifelhaft auf sie zu, und als Mortimer es schließlich erkannte, sagte er erleichtert: »Schellen. Oder Glöckchen.«
Durch die kahlen Zweige am Wegrand erhaschten sie hinter der nächsten Biegung einen Blick auf eine eigenartige Schar. Raymond lachte. »Es sind Mummen!«
Sie ritten den maskierten Gauklern entgegen. Es waren acht an der Zahl: Zwei waren ganz in Sackleinen gehüllt und mit Wollfäden geschmückt und stellten gemeinsam ein Pferd dar. Der Vordermann, der aufrecht gehen durfte und eine Pferdemaske trug, wieherte so überzeugend, dass Raymonds Ross grüßend schnaubte. Auch die übrigen Mummen trugen fantasievolle, bunte Gewänder, die mit den hell klingenden Schellen besetzt waren, welche die beiden Ritter zuerst gehört hatten. Die Masken waren kunstvoll gearbeitet, teils aus Holz, teils aus Stoff, manche stellten Tiergesichter dar, andere menschliche Fratzen mit grotesken Zügen.
Der vordere, ein offenbar recht beleibter, großer Mann in einem Frauenkostüm mit einem unglaublichen Kopfputz, knickste ohne alle Anmut und grüßte mit einer verstellten Fistelstimme: »Gott zum Gruße, Mylords! Ein frohes Weihnachtsfest mögt Ihr haben und Euch ordentlich die Bäuche voll schlagen!«
Mortimer verneigte sich gut gelaunt vor der »Matrone«. »Was verschlägt Euch in diese unwirtlichen Wälder, Mistress?«, erkundigte er sich.
Der Gaukler zog plötzlich einen riesigen Fächer aus den Falten seines Kleides und verbarg in gespielter Scheu das vermummte Gesicht dahinter. »Ihr werdet es nicht glauben, Mylord: Wir sollen vor dem König und seinem ganzen Hof spielen! Für heute Abend sind wir hinbestellt. Ich hoffe nur, wir finden den Weg nach Eltham bis dahin und bekommen einen Becher heißen Wein, wenn wir ankommen.«
»Nun, es wird uns eine Ehre sein, Euch den Weg zu
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