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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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sprach langsam und mit sehr starkem Akzent. Offenbar tat er sich mit der englischen Sprache schwerer als sein Stiefsohn. »Die Mauer hat mehr … wie sagt man … Flicken? Mehr Flicken als Steine. Sie wird nicht mehr lange halten, und die Verteidiger sind erschöpft und krank, genau wie wir.«
    »Wie schlimm ist es drüben bei euch mit der Ruhr?«
    »Schlimm, Mylord. Euer Bruder ist auch krank.« Davy senkte den Blick.
    »Oh, Clarence, tu mir das nicht an«, murmelte Harry. »Nicht jetzt. Wir müssen hier zu einem Ende kommen.« Er schwieg einen Moment und schaute konzentriert zu der schwer bedrängten Stadt hinüber. Auch auf dieser Seite waren die Schäden an der Mauer nicht mehr zu übersehen. Und auch hier hatten sie erfahren, wie es in der Stadt stand, denn die englischen Bogenschützenhatten ein paar Verteidiger von der Mauer geschossen, und einer hatte noch lange genug gelebt, dass sie ihn hatten befragen können. Hunger und Krankheit setzten sowohl den Einwohnern als auch der Garnison schwer zu. Aber immer noch hielten sie aus.
    Während sie alle hinüberschauten, ertönte wieder einer dieser ohrenbetäubenden Kanonenschläge, und »des Königs Tochter« schleuderte eine riesige Steinkugel gegen das Torhaus, dessen Dach daraufhin in sich zusammenfiel wie die Sandburg eines Kindes.
    »Da, Cousin Louis«, knurrte Harry. »Englische Tennisbälle.«
    Der Duke of Exeter nickte grimmig. »Null fünfzehn, würde ich sagen …«
    Die Ritter lachten leise. Sie alle waren erschöpft, verschwitzt, hungrig und durstig, manche hatten trotz der Rüstungen ein paar Blessuren davongetragen, denn die eingeschlossenen Menschen innerhalb der Stadtmauern waren nicht gänzlich wehrlos: Pfeile, Steine, siedendes Öl oder brennender Schwefel regneten auf jene herab, die der Mauer zu nahe kamen. Raymond hatte eine tiefe Delle im Helm, bemerkte John, seine ganze Rüstung war staubig und verschrammt, und der Earl of Warwick hatte sich den linken Arm entweder ausgekugelt oder gebrochen – beides geschah leicht, wenn ein gerüsteter Ritter vom Pferd stürzte. Mit zusammengebissenen Zähnen und sehr bleich saß Warwick im Sattel und stützte den linken Arm mit der rechten Hand. Sein Knappe kam herbeigeeilt und half seinem Herrn geschickt vom Pferd.
    John war im Begriff, dem König die engen Brust- und Rückenpanzer abzunehmen, als er Hugh Fitzalan aus einem nahen Zelt treten sah. »Oh, Jesus Christus, bitte nicht«, entfuhr es John, und Harry wandte den Kopf.
    Hugh blieb vor ihm stehen und sagte, was alle längst seinem Gesicht abgelesen hatten. »Mein Vater ist tot, Sire.«
    Harry bekreuzigte sich. Alle in Hörweite folgten seinem Beispiel.
    »Er … er trug mir auf, Euch um Vergebung zu bitten, dass er nun doch nicht mit Euch im Louvre feiern kann, wenn Ihr zum König von Frankreich gekrönt werdet.« Hugh sprach ein wenig stockend. Er war kein besonders beherrschter Junge, und es war nicht zu übersehen, welche Mühe es ihn kostete, Haltung zu bewahren.
    Harry war über den Verlust offenbar kaum weniger bekümmert. Er legte dem Knappen die Hände auf die Schultern. »Mit ihm verliert England einen seiner Besten, Hugh.«
    »Ja, Sire.«
    Der König ließ ihn los, und Hugh wandte sich blinzelnd ab. John trat wieder zu Harry, um ihn von seinem stählernen Gewand zu befreien, aber der König hob die Hand. »Nein.«
    Es hatte so scharf geklungen, dass alle ihn verwundert anschauten.
    »Der Earl of Suffolk, der Bischof von Norwich, nun der Earl of Arundel. Und mein eigener Bruder erkrankt. Jetzt ist Schluss, sage ich euch! Wenn diese verfluchte Belagerung nicht bald ein Ende nimmt, wird niemand mehr übrig sein, um in die Stadt einzuziehen.«
    »Also? Was wollt Ihr tun, Sire?«, fragte Raymond.
    Harry schaute ihn einen Moment versonnen an. »Seid Ihr müde, mein Freund?«
    Raymond verschränkte unter leisem Scheppern die Arme.
    Seit über drei Wochen hatte er von Sonnenaufgang bis Einbruch der Dunkelheit im Sattel gesessen, hatte die Sturmangriffe auf Befestigungen, Mauern und Tore geführt, hatte manches Mal selbst mit an den Tunneln gegraben, den Einsatz der Geschütze befehligt und überall, wo es nötig war, mit Hand angelegt. Ja, er war müde. Seine Augen brannten, als habe der heiße Wind ihm Staub hineingeweht, und seine Glieder waren von der Hitze, der Rüstung und dem Mangel an Schlaf schwer wie Blei. Er lächelte. »So wenig wie Ihr, Sire.«
    Harry nickte dankbar. Er sah sich kurz um und las in allen Gesichtern die gleiche

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