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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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meist schweigend durch den Regen ritt, warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. »Ich kann nicht begreifen, dass du ihn so verehrst. Mein Vater war eine Zeit lang mit ihm in Wales, als König Harry Glendowers Rebellion niedergeschlagen hat. Und Vater sagte, Harry kannte keine Gnade. Er hat nicht einmal Gefangene gemacht.«
    Tudor nickte und antwortete nicht gleich. Nach einer Weile sagte er: »Es war … ein sehr erbitterter Krieg. Nicht wie der Kampf um Harfleur, wo Sieger und Besiegte alles wie wahre Gentlemen geregelt haben: ›Ich nehme dich gefangen, deine Familie zahlt mir ein Lösegeld, dann lass ich dich wieder laufen,und nichts für ungut.‹ Dieser Krieg hier kommt mir vor, als nähme niemand ihn so richtig ernst. In Wales war es anders. Viele Waliser hassen die Engländer und umgekehrt. Owen Glendower war … die letzte Hoffnung für ein freies Wales und darum eine Bedrohung für die Macht des Hauses Lancaster. Und der König, der ja damals noch Prinz war, hat getan, was er tun musste, um diese Bedrohung zu beseitigen. Aber er hat die Waliser nie belogen und nie sein Wort gebrochen. Mehr verlangen wir gar nicht. Und wer sich für seine Seite entschied, wie etwa mein Stiefvater, dem begegnet er mit echter Freundschaft, nicht mit dieser dummen Überheblichkeit, die ihr Engländer sonst so gern an den Tag legt, wenn ihr es mit uns zu tun habt, weil ihr so davon überzeugt seid, etwas Besseres zu sein. Das glaubt König Harry nicht.«
    »Nein«, räumte John ein. »Das stimmt.« Die Erkenntnis verblüffte ihn ein wenig. Denn auch wenn er Owen Tudor schätzen gelernt hatte, war er von der Überlegenheit der Engländer doch unverändert überzeugt. Er schämte sich ein wenig, als ihm das bewusst wurde.
    Tudor durchschaute ihn wieder einmal mühelos. »Im Gegensatz zu dir betrachtet König Harry den Mann, den er vor sich hat, und nicht dessen Herkunft. Er kann völlig unvoreingenommen urteilen. Das ist eine seiner großen Gaben.«
    »Ja, sing nur weiter sein Loblied, wenn es dich glücklich macht«, grollte Fitzalan leise. »Aber ich sage euch dies: Er benutzt diejenigen, die ihm ergeben sind. Eure Väter ebenso wie meinen. Nur leben eure noch.«
    Weder John noch Tudor antwortete. Sie hatten Verständnis für Hughs Verbitterung, aber seine Zweifel an ihrem König befremdeten sie. Während John noch mit sich rang, ob er Hugh zurechtweisen oder die Sache auf sich beruhen lassen sollte, krümmte der junge Fitzalan sich plötzlich zusammen, drückte stöhnend eine Hand auf den Unterleib, glitt aus dem Sattel und verschwand in großer Eile im Gebüsch.
    »Schon das zweite Mal binnen einer Stunde«, bemerkte John.
    »Hm«, machte Tudor.
    »Ihn hat’s erwischt.«
    Tudor nickte. Dann wandte er den Kopf, und sie sahen sich einen Moment an. »Die Franzosen haben schon ganz Recht, uns keine Armee entgegenzustellen. Wozu die Mühe, wenn doch die Ruhr uns alle erledigt.«
     
    Doch die Franzosen waren nicht gänzlich untätig. Die englischen Kundschafter, die vorausritten und die Flanken des Heeres sicherten, sichteten ständig kleinere Gruppen französischer Reiter, die die Bewegungen der Engländer genauestens verfolgten. Von Tag zu Tag schienen es mehr zu werden, und als die Engländer die Somme erreichten, entdeckten sie am gegenüberliegenden Nordufer ein französisches Heer, dessen Stärke in etwa der ihren entsprach. Und die Brücke über den Fluss war zerstört.
    Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich landeinwärts zu wenden und auf der Suche nach einer Furt oder einer intakten Brücke den Fluss hinauf zu ziehen. Das bedeutete eine unvorhergesehene Verzögerung, und sie waren gezwungen, die Rationen noch weiter zu verkleinern. Zum ersten Mal in seinem Leben erfuhr John, was Hunger und echte Entbehrungen bedeuteten. Es regnete fast ohne Unterlass. Nachts lagen sie im kalten Schlamm und froren erbärmlich. Tagsüber quälten sie sich durchs unwegsame Gelände entlang des Flusses, und der Feind folgte ihnen am anderen Ufer wie ein Schatten. Hugh Fitzalan war inzwischen so schwer krank, dass er nicht mehr reiten konnte. Er tat, was auch die kranken Soldaten auf diesem langen, furchtbaren Marsch machten: Er zog seine verdreckten Hosen aus und warf sie weg, ließ den dünnen, blutigen Kot einfach seine Beine hinabrinnen – zu elend, um sich zu schämen. John und Tudor gingen ebenfalls zu Fuß und stützten ihn, manchmal trugen sie ihn auch. John sorgte sich um seinen kranken Freund und ekelte sich. Hunger, Kälte und

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