Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
Während er sprach, hatte er keinen Augenblick damit aufgehört, den Ball in seiner Tasche zu drücken.
    »Es fällt mir schwer, mich an diese Brille zu gewöhnen. Ich habe noch nie ein solches Gestell getragen. Die Ärzte meinen, sie könnten mir für die Bühnenauftritte vielleicht eine Kontaktlinse anpassen; das würde besser aussehen. Oder sollte ich eine Hornbrille wie ein Gelehrter tragen, Schatz? Nun denn, weiter.« Er setzte die Tasse ab und schaute Leslie durchdringend an.
    »Colin, Claire und Alison – möge Gott ihr Frieden schenken – würden sagen, daß ich als Thaumaturge – der Ausdruck gefällt mir besser als ›Schwarzer Magier‹ – versuche, dem Universum meinen Willen aufzuzwingen, statt mich ihm zu ergeben wie etwa die Buddhisten auf ihrer Suche nach dem Nirwana. Ich bin nun mal im Westen geboren, und es fällt mir schwer, dem Licht des Ostens nachzustreben, das gebe ich gern zu. Zu meinen früheren Verbrechen, so würden die drei argumentieren, kommt hinzu, daß ich nach meinem Unfall Heilung durch die Schwarze Magie gesucht hatte, statt ergeben zu Gott zu beten, er möge mir mein Augenlicht und den Gebrauch meiner Hand zurückschenken. Zweifellos haben Colin und Claire dir berichtet, daß ich Tiere geopfert habe. Diese weiße Katze zum Beispiel. Als ich hörte, daß du sie im Garten gesehen hattest und ich sie auch noch selbst erblickte, war ich schockiert. Denn ich habe das Tier getötet. Ich habe es auf rituelle Weise auf meinem Altar geopfert, an dem Ort, wo ich kurz nach Alisons Tod meinen Tempel eingerichtet hatte.«
    Er hob die Brauen und suchte Leslies Blick. Sie bemerkte, daß eine Art Schleier über seinem verletzten Auge lag.
    »Entsetzt dich das, Leslie? Warum ist es schlimmer, ein Tier zu opfern, als es beispielsweise in Beefsteak oder Schinken zu verwandeln und zum Frühstück zu verzehren? Selbstverständlich muß ich ein Recht auf das Tier haben. Ich würde niemandem sein Haustier stehlen und es für ein Ritual gebrauchen. Diese Katze hatte ich schon als Jungtier gekannt, und glaub mir, es hat mir großen Schmerz bereitet, sie zu töten. Aber mein Schmerz – zusammen mit dem Ektoplasma des vergossenen Blutes – hat die Macht des Rituals erzeugt. «
    Leslie holte tief Luft. Sie hätte sich denken können, daß Simon eine überzeugende Erklärung parat hatte.
    »Ich begreife das trotzdem nicht, Simon. Wie kannst du … wozu sollte es gut sein, ein Tier zu opfern?«
    »Wie gesagt, um Macht zu erzeugen«, entgegnete er. »Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit diesem Thema. Ich hatte von diesen Dingen gehört – sollte ich sie etwa ohne Beweise akzeptieren? Ich habe schon sehr früh begonnen, mit Tieropfern zu experimentieren, und ich war noch keine zwanzig, als Colin mir seine erste Predigt über das Verbrechen der intellektuellen Neugierde hielt. Ich bin sicher, er wird dich auch damit beglücken, wenn du ihn danach fragst.« Leslie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, und Simon nickte. »Schon passiert? Das dachte ich mir. Colins Ethik kann ich akzeptieren, aber nicht seinen Versuch, sie anderen aufzuzwingen. Auf seine Weise ist er ebenso bigott wie ein katholischer Priester. Nun, wie gesagt, ich habe experimentiert und Aufzeichnungen darüber angelegt, die eines Wissenschaftlers würdig gewesen wären. Irgendwann werde ich sie dir zeigen. Sollte ich an diese Kräfte glauben, ohne mich von ihrer Existenz überzeugt zu haben? Ich habe Hühner geopfert und festgestellt, daß sie dumm waren und ihr Nervensystem zu primitiv. Sicher, das vergossene Blut brachte Macht hervor, aber in einem so geringen Maße, daß ich sie auch durch das Opfern von Blumen und bestimmtem Räucherwerk hätte hervorbringen können. Außerdem werden dabei kleine Mengen Ektoplasma frei.«
    »Ich dachte, Ektoplasma würde von falschen Medien nur vorgetäuscht.« Wie in der Geschichte von dem Gazetuch, das mit phosphoreszierender Farbe bestrichen war, die Emily ihr erzählt hatte. »Nein, das Ektoplasma ist etwas durchaus Reales. Ich werde es dir eines Tages demonstrieren – so, wie ich bereit bin, mich jedem Test zu unterziehen, den du von mir verlangst. Wie gesagt, habe ich Hühner geopfert, aber die Tiere waren zu stupide. Warmblütige Säugetiere – Kaninchen aus der Zoohandlung – waren recht brauchbar. Hunde und Katzen waren noch geeigneter. Meine hellseherischen Fähigkeiten entwickelten sich sprunghaft. Aber sobald meine intellektuelle Neugierde befriedigt war, wandte ich mich

Weitere Kostenlose Bücher