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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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verhindern. Würden wir heiraten und in ihrem Haus zusammenleben, würden wir beide wahrscheinlich in ständiger schrecklicher Gefahr schweben. Möglicherweise würde Alison versuchen, uns zu vertreiben – oder noch Schlimmeres.«
    Leslie fiel ein Satz aus dem Buch ein, das Simon und Alison gemeinsam geschrieben hatten: Die Gesetze der alten Welt scheinen aufgehoben, und die Mechanismen der neuen, aber unbestreitbar realen Erfahrungen sind noch unbekannt. Was sie eben gehört hatte, stellte all ihre Überzeugungen auf den Kopf. Sie hatte geglaubt, Zorn könne das Grab nicht überdauern, doch Simons Hypothese ließ alles klar und deutlich in einem unheimlichen Licht erscheinen. Wenn Alison keine wohlwollende Leitgestalt aus dem Jenseits darstellte, die Leslie dabei unterstützte, zum Frommen der Menschheit ihre Arbeit fortzuführen, sondern wenn sie lediglich Rache an Simon suchte, der sie verraten hatte …
    Leslie empfand ein schmerzliches Gefühl des Verlusts. Sie hatte Alison mit der Zeit als spirituelle Führerin, als Wohltäterin betrachtet, als Freundin, die sie anregte, ihre Praxis auf eine andere, neue Weise zu führen.
    »Mußt du denn in diesem Haus leben, Simon? Wenn wir erst verheiratet sind, können wir ebensogut woanders wohnen. Soll Alison doch ihren Triumph genießen. Warum sollten wir diesen Kampf fortsetzen?«
    »Willst du wirklich das Feld räumen, Leslie? Jetzt enttäuschst du mich. Das Haus gehört dir! Ich werde nicht zulassen, daß Alison dich daraus vertreibt! Und ebensowenig werde ich ihr erlauben, mir Beschränkungen aufzuerlegen, als wäre ich immer noch ein kleiner Junge, der unter ihrer Vormundschaft steht!«
    »Aber was können wir dagegen unternehmen?«
    »Es gibt gewisse Möglichkeiten«, erklärte Simon gelassen. »Man kann sie von dieser Existenzebene vertreiben. Ich will nicht behaupten, daß es gefahrlos ist, aber ich fürchte mich nicht vor ihr.« Simons gesundes Auge glühte vor Zorn. »Ich will ihr nichts antun. Sie hat stets behauptet, die Verstorbenen besäßen nicht das Recht zu bleiben und die Lebenden zu bedrängen. Ich will sie nur in das Leben nach dem Tod schicken, das ihren eigenen Prinzipien entspricht. Ich glaube allerdings, daß sie vor nichts zurückschrecken würde, um mich von dem abzuhalten … was ich jetzt tun muß«, endete er mit abgewandtem Blick.
    Jeder Teil dieses Gesprächs hätte ausgereicht, um Außenstehende davon zu überzeugen, daß Leslie und Simon in eine Doppelzelle des Irrenhauses von Napa gehörten! Zum Glück fing Simon nicht auch noch mit seiner verrückten Theorie an, durch ein Opfer könne er genug Lebenskraft erzeugen, um seine Hand und sein Auge zu heilen. Nun ja, auch nicht abwegiger als zu glauben, Alison hätte aus dem Jenseits Simons Cembalo zerschmettert und versuche zu verhindern, daß Leslie und Simon einander liebten und zusammenarbeiteten.
    »Ich kann mich gegen Alison wehren«, erklärte Simon, »aber dazu muß ich sehr stark sein. Es gibt nur einen Weg …« Er hielt inne, beugte sich über Leslie, küßte sie und streichelte ihr Gesicht. »Mein armer Schatz, das macht dir angst, nicht wahr? Wenn du nicht möchtest, brauchst du nichts davon zu wissen. Wir haben ohnehin nicht genug Zeit, um dich für die Arbeit auf dieser Ebene auszubilden. Leslie, ich muß dich um etwas bitten. Hast du vor, das Atelier in nächster Zeit zu benutzen? Im nächsten Monat?«
    »Nein«, antwortete sie, verwundert über den plötzlichen Themenwechsel. »Ich bewahre dort nichts auf außer einer alten Nähmaschine und einer Schneiderpuppe. Wenn du den Raum brauchst …« Und dann setzte ihr Herz beinahe aus. Wozu wollte er die Garage benutzen? War sie bereit, sich in irgendeine ungeheuerliche Geschichte hineinziehen zu lassen?
    »Wenn das so ist … würdest du mir den Anbau für einen Monat überlassen? Länger dauert es auf keinen Fall. Bis dahin habe ich entweder erreicht, was ich mir vorgenommen habe, oder ich werde die Sache verloren geben, das schwöre ich dir.«
    »Du weißt, daß alles, was ich habe, dir gehört, Simon«, antwortete Leslie und umklammerte seine Hand. Er war so großzügig zu ihr und Emily gewesen, und sie konnte ihm dafür so wenig zurückgeben. Sie besaß sogar das Haus, das von Rechts wegen ihm zustand.
    »Erlaubst du mir, ein neues Schloß einbauen zu lassen? Wenn du mir nicht traust, gebe ich dir für Notfälle einen Schlüssel …«
    Bis jetzt hatte Leslie sich noch nie gefragt, was sie tun würde, wenn Simon sie um Hilfe

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