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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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erklärte Emily.
    »Wie bitte? Um Gottes willen! Was weißt denn du über solche Dinge?«
    »Nun ja, Frodo hat mir ein bißchen über den Pfad erzählt«, berichtete Emily, »aber vor allem war ich neugierig, weil jemand gesagt hat, Simon wäre ein Schwarzer Magier; deshalb hat er sich angeboten, mich einmal mitzunehmen, damit ich mir selbst ein Urteil bilden kann.«
    »Und wie war es?«
    Emily gähnte. »Langweilig«, meinte sie. »Gräßlich öde. Am Ende bin ich sogar eingeschlafen.«
    »Sind denn Außenstehende zu solchen Veranstaltungen zugelassen?« Das unterschied sich von allem, was Leslie diesbezüglich je gehört hatte.
    »Eigentlich war ich keine Fremde«, erklärte Emily. »In jeder Loge ist ein Platz einem jungen Mädchen vorbehalten, das kein Mitglied zu sein braucht. Ich habe vergessen, wie man sie nennt, aber ich hatte eine hübsche weiße Robe an und eine Rose in der Hand.« Sie kicherte. »Simon mußte mich fragen, ob ich Jungfrau sei. Ich glaube, ihm war das peinlicher als mir, aber es schien ihm sehr wichtig zu sein. Natürlich hatte er klargestellt, daß niemand mich anrühren dürfe – ich hatte mal eine gräßliche Geschichte über ein Mädchen gelesen, das man auf ein solches Treffen gelockt hatte, und dann ist die ganze Bande über sie hergefallen und hat sie vergewaltigt. Also wollte ich sichergehen, daß nichts dergleichen im Busch war. Aber ich nehme an, das mit der Jungfrau und der Rose ist bloß so ein Symbol.«
    Leslie war froh, daß ihr wenigstens dieses Horrorkapitel erspart geblieben war. Sie hatte schon Alpträume genug.
    »Und hat dich wirklich niemand angerührt?«
    »Himmel, nein. Sie haben mich in ein unheimliches kleines Zimmer geführt, wo ich eine Kapuzenrobe anziehen mußte. Dann haben sie mir die Rose in die Hand gedrückt, mich auf einen Stuhl am Ende der Tafel gesetzt und mir befohlen, den Mund zu halten. Also habe ich da gesessen und zugehört, bis es mir langweilig wurde, und dann bin ich eingenickt.«
    »Aber … aber …« Leslie konnte vor Neugierde kaum an sich halten. »Worüber haben sie denn geredet?«
    Emily zuckte die Achseln. »Auf das meiste konnte ich mir überhaupt keinen Reim machen. Ich glaube, sie haben über Folklore gesprochen, und jemand hat ein Referat über Hexenkulte gehalten -in Irland, oder war es Finnland? Ach ja, und alle haben Simon in die Mitte des Kreises gerufen und für seine Genesung gebetet. Sie haben einander den sogenannten Friedenskuß gegeben – alle haben Küsse ausgetauscht, sogar alte Männer mit Bärten. Und dann bin ich eingeschlafen. Schon komisch. Jemand zweifelte an mir und behauptete, ich sähe zu alt für eine Jungfrau aus. Die glauben wohl, es gibt keine Jungfrauen mehr, die älter als zwölf sind. Sie haben von mir verlangt, bei meiner Ehre zu schwören, daß ich unberührt bin, und ich habe ja gesagt. Wahrscheinlich ist es ein bißchen seltsam, in meinem Alter noch Jungfrau zu sein.« Von neuem gähnte sie. »Was meinst du, Leslie? Stimmt mit mir was nicht? Ach, Unsinn, du würdest mir sowieso keine Antwort darauf geben, sondern bloß fragen, wie ich darauf komme. Ich gehe zu Bett«, schloß sie und ging nach oben. Die Rose trug sie immer noch in der Hand.
    Emilys Bericht klang anders als alles, was Leslie je über Logensitzungen Schwarzer oder Weißer Magier gehört hatte, schien aber ziemlich harmlos zu sein. Emilys unnatürliche Schläfrigkeit konnte natürlich darauf hindeuten, daß man sie unter Drogen gesetzt oder hypnotisiert hatte. Aber wahrscheinlich hatte Emily die Wahrheit gesagt, und sie hatte die Sitzung so langweilig gefunden, daß sie tatsächlich eingeschlafen war.
    Immer noch beunruhigt ging Leslie zu Bett. Dann endlich wurde ihr klar, welches Gefühl ihr zu schaffen machte: Sie war eifersüchtig auf Emily!
    Es war offensichtlich, daß Simon und Emily stets eine Welt teilen würden, die Leslie selbst nur als Außenseiterin betreten konnte, nämlich die der Berufsmusiker. Aber dies hier gehörte in ihren eigenen Bereich der Psychologie, Parapsychologie und Magie. Sie war eifersüchtig und schämte sich deswegen.
    Doch als sie das nächste Mal in Simons Wohnung mit ihm allein war, erschien es ihr zu nebensächlich und kleingeistig, das Thema zur Sprache zu bringen. Außerdem bewegte sie eine größere Sorge. Die vernichtenden Schmerzanfälle in Simons Auge traten jetzt zwar seltener auf, waren aber weiterhin unvorhersehbar und so heftig, daß sie ihn völlig handlungsunfähig machten. Er fuhr seinen

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