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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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bei einem seiner Opferrituale bat. Aber darum ging es mit Sicherheit. Er wollte ein weiteres Tieropfer vornehmen. Grausamkeit gegenüber Tieren war strenggenommen ein Vergehen, das jeder mit seinem Gewissen abzumachen hatte. Aber das Gesetz erklärte in seiner Doppelzüngigkeit, es sei illegal, daß jemand einen Hund oder eine Katze auf einem Altar schlachtete – auf der anderen Seite gestattete es das massenhafte Abschlachten von Tieren als Nahrung, aus Profitgründen oder für medizinische Experimente. Was sollte sie also gegen Simons Pläne einwenden?
    Und wenn er etwas Größeres vorhätte, hätte er mir nicht die Zeit und den Ort verraten. Er würde mich nicht zur Mitwisserin an einem Mord machen. Schließlich weiß er, daß ich in solchen Angelegenheiten mit der Polizei zusammenarbeite und nicht schweigen kann, wenn ein Menschenleben betroffen ist.
    »Tu, was du tun möchtest, Simon«, sagte sie. »Ich vertraue dir.«

23
     
     
    Leslie bereitete sich gerade auf die Sitzung mit Susan Hamilton vor, als sie den Lieferwagen des Schlüsseldienstes vorfahren sah. Emily übte am Flügel. Leslie klopfte an die Tür des Musikzimmers und trat ein.
    »Brauchst du in der nächsten Zeit irgend etwas aus dem Atelier, Emily?«
    »Ich glaub’ nicht. Wieso?«
    »Weil ich das Schloß auswechseln lasse und eine Zeitlang keinen Zugang dazu haben werde. Wenn du also etwas brauchst, zum Beispiel die Nähmaschine …«
    »Wann hätte ich wohl Zeit zum Nähen?« Die Frage war so vollkommen rhetorisch, daß Emily die Antwort ihrer Schwester gar nicht erst abwartete. »Ich muß mich auf einen Vorspieltermin für ein Klavierpraktikum vorbereiten. Außerdem nehme ich an einem Literaturkurs über das Cembalo teil. Etwas Neues zum Anziehen brauchte ich allerdings schon – wolltest du mir auf höfliche Weise mitteilen, daß ich mir die Sachen selbst schneidern soll?«
    »Nein, ich glaube schon, daß wir uns ein paar neue Sachen leisten können. Aber die Garage wird in nächster Zeit nicht betretbar sein. Falls du also die Schneiderpuppe oder sonst etwas möchtest …«
    »Dann wird Simon mir die Sachen schon herausgeben«, meinte Emily. »Er hat mir gesagt, daß er in den nächsten paar Wochen dort zugange sein wird.« Sie beugte sich über die Noten, und Leslie spürte von neuem, wie ein seltsames Gefühl der Eifersucht in ihr aufkeimte. Er hatte also mit Emily darüber gesprochen, es aber nicht für nötig erachtet, ihr das mitzuteilen.
    Der Schlosser arbeitete an der Tür, und Leslie ging ins Haus, um nachzusehen, was sie in den nächsten paar Wochen brauchen würde. Sie nahm die kleine Schachtel, in der sie Nadeln, Nadelkissen und Stopfgarn aufbewahrte, ihre Schere und Klebeband. Die Maschine würde sie nicht brauchen, aber sobald sie ihr Nähzeug wegschloß, würde sie mit Sicherheit etwas flicken müssen.
    »Ist schon gut. Komm nur rein, Kleine«, rief der Schlosser und lächelte leutselig. Leslie sah, daß Christina Hamilton in der Tür stand.
    »Chrissy?« hörte sie Susan rufen.
    »Sie ist hier, Susan.« Leslie nahm das Kind bei der Hand. Chrissys Haut fühlte sich glatt und trocken an wie das Pfötchen eines Tieres. Doch als Leslie das Mädchen nach draußen ziehen wollte, widersetzte es sich stumm, lief zur Mitte des Raumes und begann sich im Uhrzeigersinn zu drehen. Genau an dieser Stelle hat Claire gestanden, dachte Leslie. Sie hatte einmal von einer Theorie gehört, die besagte, zurückgebliebene oder stumme Kinder seien in solch hohem Maße außersinnlich begabt, daß sie sich ihrer telepathischen Eindrücke nicht erwehren könnten und deshalb die Verbindung zur Außenwelt kappten. Sie wußte nicht, ob sie an diese Theorie glauben sollte; aber auf jeden Fall vollzog Chrissy Claires Bewegungen nach und hob die Hände genauso wie die ältere Frau.
    »Kätzchen«, sagte Chrissy dann laut und deutlich.
    »Ich sehe keine Katze, Schatz«, rief Susan von der Tür her. »Komm, Chrissy, laß uns im Garten spielen. Draußen scheint die Sonne.« Sie hob ihre Tochter hoch und trug sie nach draußen. Christina wehrte sich nicht, doch in dem Moment, als ihre Mutter sie absetzte, flitzte sie wieder nach drinnen, und Susan mußte sie noch einmal heraustragen.
    »Macht nichts«, erklärte Leslie. »Die Tür wird gleich abgeschlossen.«
    »Spiel hier unter den Bäumen, Chrissy. Mama kommt in einer Stunde wieder«, sagte Susan. Aber das Mädchen hatte sich von neuem in seine innere Welt zurückgezogen.
    »Haben Sie das auch gehört, Leslie?

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