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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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verziehen. Als ich … verletzt wurde«, fuhr er mit zusammengebissenen Zähnen fort, denn es fiel ihm immer noch schwer, von seinem Unfall zu sprechen, »und Alison nach ihrem Schlaganfall entdeckte, daß ich Maßnahmen ergriffen hatte, um Kraft für meine Genesung herbeizurufen, ohne ihre Erlaubnis zu erbitten, hat sie mich enterbt. Die Cembalos hat sie mir nur deshalb hinterlassen, weil sie niemand anderen dafür wußte. Aber sie hat mir nicht mehr genug vertraut, um mir die Prunkstücke ihrer Sammlung zu vermachen, damit ich sie an Museen weiterleite. Deshalb änderte sie ihr Testament. Und jetzt, Leslie … erzähl mir noch einmal von dem Einbruch. Ich habe einen bestimmten Grund für meine Frage.«
    Leslie hatte zwar keine Lust, die alptraumhaften Ereignisse jener Nacht noch einmal zu durchleben; trotzdem berichtete sie erneut, wie sie und Emily durch den schrecklichen Lärm im Musikzimmer geweckt und nach unten gelaufen waren, nur um zu entdecken, daß der Eindringling spurlos verschwunden war, und wie sie dann die Polizei gerufen hatten.
    »Und die Beamten haben keine Spur …«
    »Nichts. Absolut nichts. Die Polizisten konnten sich nicht einmal erklären, wie der Täter ins Haus gelangt war … und was noch schlimmer war, sie fanden keine Erklärung dafür, wie er fliehen konnte.«
    Ein längeres Schweigen setzte ein. »Hast du je einen Poltergeist in Aktion gesehen, Leslie?« fragte Simon schließlich.
    »Ja.« Mehr wollte sie dazu nicht sagen.
    »Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, daß die Verwüstungen im Musikzimmer … schrecklicher sein könnten als alles, was ein menschlicher Gewalttäter anrichten könnte?«
    Claire hatte so etwas angedeutet.
    Sie hatte diese Macht unmenschlich genannt. In einem furchtbaren Augenblick hatte Leslie sich schon einmal gefragt, ob das monströse Ding, das sie quälte, jene Kraft, die Joel ein Glas Wein ins Gesicht geschüttet hatte und defekte Türklingeln schrillen ließ, in jener Nacht dort getobt hatte. Aber warum? Wieso hätte sie, dieses Ding in ihrem Inneren, ausgerechnet Emily so etwas antun sollen? Haben die Freudianer doch recht, und meine Liebe zu Emily stellt nur eine Rationalisierung für meinen Haß und meine Eifersucht dar? Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    »Simon, glaubst du, daß ich …«
    »Du?« Er warf ihr einen verständnislosen Blick zu. »Wovon redest du? Alison hat ihren Haß auf mich mit ins Grab genommen. Und wenn sie sich so große Mühe gegeben hat, eine Nachfolgerin zu finden – was glaubst du dann, was sie davon hält, daß wir beide zusammengekommen sind, wie es uns vom Schicksal vorbestimmt war? Daß ich wieder Einlaß ins Haus gefunden habe, dein Liebhaber bin und in ihrem Haus als Freund aufgenommen werde? Die Beinahe-Zerstörung des Flügels und der Harfe waren so etwas wie ein Zufall, Leslie. Aber mein Cembalo, das Instrument, das Alison gehört hatte und nun meines war, wurde vernichtet. Das hat der Versicherungsgutachter mir gesagt. Ich schwöre dir, Leslie – Alisons Zorn auf mich hat das angerichtet. Auf ihre Art teilt sie mir mit, daß sie mich in ihrem Haus und in deinem Leben nicht sehen will. Sie will, daß du ihr nachfolgst, Leslie; aber sie versucht, dich vor meiner Niedertracht zu retten.«
    Bestürzt schaute Leslie ihn an. Was er sagte, widersprach allem, was sie über Alison gehört hatte. Und doch …
    Claire hatte selbst erklärt, Alison sei keine Heilige gewesen und habe sehr festgefügte Ansichten gehabt. Nach ihrem Tod war das Haus praktisch unbewohnbar geworden. Selbst aus dem Jenseits war sie unbeirrbar weiter ihren Weg gegangen, hatte alle mit Gewalt vertrieben, die ihr nicht paßten. Wie zornig würde Alison erst sein, wenn sie feststellte, daß Simon – der Mann, der ihr wie ein Sohn gewesen war, der sie ihrer Meinung nach verraten hatte und deshalb enterbt worden war – in das Leben ihrer sorgfältig erwählten Nachfolgerin getreten war?
    Und wenn ein Poltergeist auf dieser Existenzebene schon furchteinflößend sein konnte – und Leslie hatte erfahren, was er alles vermochte –, was konnte dann eine Frau ausrichten, die nicht mehr an die Grenzen von Raum und Zeit gebunden war?
    »Alison hat noch andere Gründe, mich zu hassen. Ich möchte sie dir lieber nicht nennen«, meinte Simon. »Aber ich fürchte, Leslie, du hast dir das selbst zuzuschreiben, indem du meine Freundschaft und meine Liebe akzeptiert hast …« Er stockte. »Alison … ich glaube, sie wird vor nichts zurückschrecken, um das zu

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