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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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aus. Die Speere flogen. Baluch zählte sie: zehn, zwölf, fünfzehn … Aus den Wunden auf Sebbis Brust und seinen Beinen quoll Blut. Mit zusammengebissenen Zähnen breitete er entschlossen die Arme weit aus, nahm den Schmerz an und rief gen Himmel: »Höret unser Flehen! Errettet uns!« Dann stürzte er zu Boden.
    Die Männer scharten sich so um ihn, dass Baluch nichts mehr von ihm sehen konnte. Als sich ihre Reihen auflösten, hoben einige von ihnen die Leiche auf und wuchteten sie sich auf die Schultern. Sebbis Arme und Beine baumelten schlaff herab. Ihre Gesichter waren mit Sebbis Blut beschmiert. Bramble wurde übel, doch Baluch war ruhig. Sein ganzer Kummer war vergraben unter intensiver Konzentration auf die Gruppe der Männer.
    Da tauchte Acton neben ihm auf.

    »Es ist Zeit zu gehen«, sagte er. Nun kamen die Frauen herbei, zerkratzten sich das Gesicht und wehklagten um das junge dahingemetzelte Leben. Aber auch dies war Teil des Rituals, und ihre Augen blieben meist trocken und leuchteten vor Hoffnung. Baluch hob die Hand und hielt eine von ihnen auf, eine ältere Frau.
    »Was wird mit ihm geschehen?« Ohne darüber nachzudenken, hatte er die Frage in seiner Sprache gestellt, wiederholte sie jedoch in der ihren, als er merkte, dass sie ihn nicht verstand. Sie zögerte.
    »Ich weiß es nicht genau«, sagte sie schließlich. »In den alten Zeiten hätte man ihn zerrissen und seine Knochen auf den Feldern verstreut, um eine gute Ernte zu beschwören. Nun haben wir keine Felder mehr … Vielleicht wird sein Körper auf dem Eis verstreut werden.«
    Als sie sich abermals umdrehten, sahen sie, dass die Jagdgesellschaft am Rand des Eises entlangging und nur gelegentlich innehielt, um zu beten. Acton und Baluch schauten so lange zu, bis sie sahen, dass der Haarige nach den Gebeten Sebbis Leiche zerstückelte und auf das Eis warf.
    »Wird es wirken?«, fragte Acton Baluch in leisem Ton. »Was sagen die Götter?«
    Baluch erschauderte. »Die Götter sagen gar nichts. Aber ich glaube, es bedarf mehr als das Blut eines Mannes, um den Eiskönig zu besänftigen.«
    Als Sebbis Hand hoch über die Eisklippe geworfen wurde, schrien die Männer auf.
    »Genug«, sagte Baluch und drehte sich um. Das Wasser ging auf Bramble nieder wie das Eis des Eiskönigs, das auf das Land niederging.

Leof
    Als die Dächer von Sendat auftauchten, konnte Leof seine Freude nicht verhehlen, und Thistle beschleunigte ihre Schritte, als sie den heimischen Stallgeruch witterte.
    »Gut, wieder daheim zu sein, mein Lord«, sagte Bandy, sein Reitknecht.
    »Gut und schlecht, Mann«, entgegnete Leof und winkte einer Reihe von Stadtbewohnern zu, die die Straße, welche sich zur Festung schlängelte, entlanggingen.
    Beim Näherkommen betrachtete er die Festung wie mit fremden Augen. Gegen einen normalen Angriff war sie recht gut befestigt, aber einem Feind, den man nicht töten konnte, war sie nicht gewachsen. Die Mauern müssten wesentlich höher sein, um es den Verteidigern zu ermöglichen, einzelne Angreifer zu isolieren und zu erledigen. Das obere Ende der Mauern müsste spitz statt breit sein, und die Verteidiger müssten nicht mit Speeren, sondern mit Äxten bewaffnet werden. Selbst Fleischbeile, an Stangen gebunden, würden genügen, bis man anständige Hellebarden hätte anfertigen lassen. Die Schmiede würden Überstunden einlegen müssen. Hellebarden waren die am besten geeigneten Waffen, davon war er überzeugt. Ihre große, an einem langen Stock befestigte Klinge vereinte Schwert und Speer und besaß den Vorteil, dass man sich den Feind damit mehr als eine Armlänge vom Hals halten konnte. Ein Breitschwert vermochte zwar
Gliedmaßen abzutrennen, erforderte von demjenigen, der es führte, jedoch Stärke und Urteilsvermögen sowie auch ein Quäntchen Glück. Ein guter Schlag mit einer Hellebarde hingegen konnte mit so immenser Hebelkraft ausgeführt werden, dass man damit Gliedmaßen reihenweise abhacken konnte. Wegen der Gefahr für die eigenen Leute wurde diese Waffe beim Nahkampf nicht häufig verwendet, aber eine Linie von Verteidigern, geübt darin, gemeinsam zu kämpfen … Der Plan war alles, woran Leof denken konnte, und es wurde ihm schmerzhaft klar, dass diese Strategie viele Schwachstellen aufwies.
    Auf ihrem Weg zum Musterplatz riefen ihnen die Leute aus den Ställen und Schmieden zur Begrüßung zu. Dankbar stieg Leof vom Pferd und übergab Thistle an Bandy, tätschelte sie noch einmal und bedankte sich dabei leise bei ihr für

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