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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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und dunkle Augen, honigfarbene Haut und rote Lippen; sie war schmal und ausgesprochen schlank im Vergleich zu den blonden Mädchen jenseits der Berge. Er lächelte sie mit diesem Lächeln von der Seite an, das in all den alten Geschichten erwähnt wurde, und sie errötete und erwiderte sein Lächeln. Bramble verstand, warum. Dieses Lächeln war wirklich atemberaubend und eine Einladung zu gemeinsamen Dummheiten, wenn man nicht wusste, dass der Mann bald all ihre Verwandten und vielleicht sogar das Mädchen selbst abschlachten würde.
    Das ist entmutigend, dachte Bramble, und wäre das Wasser,
das nun aufstieg, echt gewesen, hätte sie nicht die Kraft gehabt, sich zu retten.

    Nach wie vor im Körper von Gris - allmählich erkannte sie seinen Geruch, wenn nicht sogar seine Seele wieder - kam sie an die Oberfläche und sah ihn gemeinsam mit Hawk, Acton und einer Frau in einer Höhle. Bramble fragte sich, wo Swef war und ob es sich hier um einen ganz anderen Besuch handelte. In der Zeit zu springen war ermüdend. Sie sehnte sich danach, dass es vorbei sein würde.
    Die Frau war alt, es war der älteste Mensch, den Bramble auf ihrer Reise bislang gesehen hatte, und sie war bekleidet mit Tierfellen, die grob zusammengenäht worden waren. Ihr weißes Haar war so verfilzt, dass es wie ein Vlies an ihrem Rücken herabhing, und ihre Haut war dreckverkrustet. Sie saß auf einem Bärenfell vor einem kleinen Feuer und spielte mit einem Satz Steine herum. Die Luft hätte hier verräucherter sein sollen, als sie es war.
    Acton schien das auch zu denken, denn er schaute in das Dunkel hinauf, und Gris folgte seinem Blick. Die Rauchfahne entwich einem Luftloch an der Decke der Höhle. Die Frau fing Actons Blick auf und grinste zahnlos.
    »Du bist mir ein Schlauer, nicht wahr?«, sagte sie und warf wie beiläufig Steine auf das Fell. Ohne sie anzuschauen, sammelte sie sie dann wieder ein.
    »Ich verstehe dich nicht«, sagte Acton langsam, noch immer mit Schwierigkeiten, sich in der fremden Sprache auszudrücken. »Was willst du?«
    »Setzt euch«, sagte die Frau, doch eine Antwort war das nicht. Sie schaute Gris streng an, beugte sich vor und starrte ihm, während er sich auf der anderen Seite des Bärenfells hinsetzte, in die Augen. Ihr Atem roch so übel wie der eines Hundes.

    »Und du, Verwandtenmörder, du hast eine Mitreisende. Hallo, Mädchen.«
    Hätte sie in ihrer eigenen Haut gesteckt, wäre Bramble bei diesen Worten emporgeschnellt. Die Frau schaute ohne Zweifel direkt sie an, sah sie in den Augen von Gris. Dieser hatte sich bei ihren Worten verspannt, aber mehr bei dem Wort »Verwandtenmörder« als bei der Begrüßung.
    »Dotta!«, rügte Hawk sie. »Das hier ist wichtig.«
    »Meinst du etwa, dies nicht?«, gab Dotta zurück. Doch sie lehnte sich zurück und spuckte sich in die linke Hand. Hawk tat es ihr gleich, und ihre Hände umschlossen einander. Hawk wappnete sich, als habe er über diese Frage sorgfältig nachgedacht.
    »Was werden die Folgen sein, wenn wir den Fremden gestatten, auf unserem Gebiet zu siedeln?«
    Dotta warf die fünf Steine. Dieses Ritual hat sich so wenig verändert, dachte Bramble. Wieso nur? Bei den Steinen handelte es sich um Bergsteine, grau und schwarz und silbrig. Sie landeten mit der Vorderseite nach oben.
    »Tod. Verrat. Chaos. Ruin. Schicksal.« Dotta stieß nacheinander jeden Stein an wie ein Bäcker, der prüft, ob der Teig schon aufgegangen ist. Dann sammelte sie sie wieder ein. Dabei mied sie den Blick der Männer.
    »Ha!« Hawk riss seine Hand los und schaute Gris zornig an. »Also.«
    »Wartet!«, sagte Acton. »Ich habe eine Frage.«
    Dotta sagte nichts, sondern spuckte sich einfach erneut in die Hand und hielt diese Acton entgegen. Widerwillig spuckte er sich ebenfalls auf die Handfläche und umschloss dann die ihre. Sie haben gar kein Steinedeuter, erkannte Bramble. Ich habe nie darüber nachgedacht, aber nie hat jemand von Actons Leuten die Deuter über den Eiskönig befragt. Das Steinedeuten ist Teil der Domänen, nicht des Gebiets,
auf dem der Eiskönig herrscht … Sie war sich nicht sicher, was das zu bedeuten hatte, doch irgendwie erschien es ihr wichtig.
    Actons goldenes Haar glänzte im Schein des Feuers. Er beugte einen Moment den Kopf herunter, als wolle er beten. Dann fragte er vorsichtig, mit schleppendem Akzent: »Was sind die Folgen, wenn uns nicht gestattet wird, auf eurem Gebiet zu siedeln?«
    Dotta lachte und warf die Steine.
    »Tod. Verrat. Chaos. Ruin.

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