Die Hueterin der Geheimnisse
Asgarn. »Aber ich bin davon überzeugt, dass sie die Wahrheit dessen erkennen werden, was ich sage.«
»Das mag wohl sein. Aber ich denke, ich werde auch ein paar Worte dazu zu sagen haben.«
Der Anblick von Asgarns Gesichtsausdruck ließ die warnende Musik in Baluchs Kopf dramatisch anschwellen.
»Vielleicht sollten wir gemeinsam hingehen«, sagte Asgarn zögernd. Baluch legte Acton mahnend die Hand auf den Arm. Acton grinste ihn an.
»Baluch erinnert mich daran, dass wir hier noch eine Menge mehr zu tun haben, wenn wir im Frühjahr die Drachenstraße befahren wollen. Ich werde mit dir zu Wilis Gehöft kommen, um an der Winterversammlung teilzunehmen.«
Asgarn nickte schroff, machte auf dem Absatz kehrt und ging am Ufer entlang auf die Häuser von T’vit zu. Acton und Baluch sahen ihm hinterher.
»Trau ihm nicht«, sagte Baluch. »Das tue ich nicht«, erwiderte Acton. »Aber ich hätte nicht gedacht, dass er wahnsinnig genug ist, die Versammlung aufzulösen.«
»Er hat dir Sebbis Tod nie verziehen.«
Ein Schleier legte sich über Actons Augen. »Ich mir selbst auch nicht.«
»Was wirst du auf der Versammlung tun?«
Acton grinste, wobei seine Augen vor Vorfreude glänzten. »Das ist nur eine andere Form der Schlacht. Ich habe oft genug zugeschaut, wie Harald diesen Kampf austrug, um zu wissen, wie man es macht. Mach dir keine Sorgen. Die Versammlung wird weiter Bestand haben.«
Bramble war erstaunt und hocherfreut darüber, dass Acton Asgarns Vorstoß zurückgewiesen hatte. Aber sie war auch verwirrt. Was war geschehen, das die Dinge verändert hatte? Dass Acton ein Kriegsherr wurde und mithalf, das System der Kriegsherren einzuführen? Was hatten sie ihm angeboten, um ihn herumzukriegen?
Sie hatte nicht die Zeit, weiter darüber zu spekulieren, denn die Wellen am Strand schwollen plötzlich an, brachen über ihr zusammen und schleuderten sie in die Finsternis.
Auf ihrer Schulter spürte sie etwas Warmes: warme Lippen, die sich bewegten, küssten, die Berührung durch eine Zunge. Ihre Seite wurde gegen etwas Warmes gedrückt, Wärme durchströmte ihre nackte Hüfte. Eine ganze Weile lang spürte Bramble es einfach; Wärme, Trost, neckisches Vergnügen. In ihr lockerte sich etwas. Dann glitt eine Hand von ihrer Schulter auf ihre Brust herab, und sie erkannte: Acton! Das ist Actons Hand!
Im gleichen Augenblick stellte sich ihr Sehvermögen wieder ein, und sie sah ihn, sah einen goldenen Haarschopf, der sich herabbeugte, um die weiche Haut über ihrer Brust zu küssen, während die Hand die Brust selbst wiegte. Holt mich hier raus!, schrie sie in ihren Gedanken den Göttern zu, doch diese unternahmen nichts.
Dann schob ihn die Frau beiseite. Bramble spürte, dass
eine Mischung von Gefühlen in ihr tobte - Zuneigung, ein nachhallendes Vergnügen, vermischt mit Widerwillen. Es war ihren eigenen Gefühlen so ähnlich, dass sie gar nicht recht zu sagen vermochte, wo die Gefühle der Frau aufhörten und wo ihre eigenen begannen. Acton setzte sich auf und schaute sie wehmütig an, als sei ihm bewusst, was in ihr vorgegangen war. Er hatte sich seinen Bart abrasiert. Sie fragte sich, warum. Er wirkte nun jünger.
»O Wili«, sagte er bedauernd, »war es so schlimm?«
Wili lächelte zaghaft. Ihre Augen brannten vor Tränen, aber sie ließ ihnen keinen freien Lauf. Bramble spürte, dass sie seine Gefühle nicht verletzten wollte, doch dass sie nur noch das Bett verlassen und sich anziehen wollte, sich in der Sicherheit von einer Hose, einem Gürtel und einem guten, starken Messer an der Hüfte wähnen wollte.
» Schlimm nicht«, sagte sie. »Nun, ich musste es tun, aber ich glaube nicht, dass ich es noch einmal tun werde.«
Bramble ging ein Licht auf. Sie haben gerade seinen Sohn gezeugt, dachte sie. Den Sohn einer Frau, die nichts mit Männern zu tun haben wollte und es ausnahmsweise, nur einmal, mit Acton, ausprobiert hatte …
Er schnitt eine Grimasse. »Es tut mir leid. Ich habe mein Bestes gegeben.«
Sie streckte die Hand aus und zerzauste ihm das Haar, wodurch er wie ein Fünfjähriger aussah. »Es war ein guter Versuch. Aber …«
»Wenn du mich lieben würdest, wäre es etwas anderes.« »Oder wenn du mich lieben würdest? Das glaube ich jedoch nicht.«
Ein Schatten verdunkelte sein Gesicht. Wili zog die Knie an ihre Brust und umklammerte sie. Auf diese Art fühlte sie sich sicherer. Ruhiger. Das Gefühl, schreien zu wollen, verblasste in Bramble.
Wili löste einen Arm aus der Umklammerung und
Weitere Kostenlose Bücher