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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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denn beide Frauen setzten ein schiefes Lächeln auf, und Skua tätschelte ihr die Schulter, so als habe sie zusätzlich auch noch ihre Gedanken gelesen.
    »Kommt mit uns in die Halle«, brachte Skua stotternd, aber auch stolz hervor. Sie schob Martine vorwärts.
    Diese einfache Berührung, voller Autorität, führte dazu, dass Martine sich jung und verletzlich fühlte. Ich bin eine Großmutter , sagte sie sich. Doch nun, mit den beiden älteren Frauen an ihrer Seite, die sich bei ihr einhakten und sie führten, kam sie sich wieder wie ein Kind vor, das von seinen Tanten wegen irgendeiner Ungezogenheit zum Dorfsprecher gebracht wurde. Das war einmal so geschehen, als sie dank ihrer seherischen Fähigkeiten vorhergesehen hatte, dass die Dörfer angegriffen wurden, und damit einen falschen
Alarm ausgelöst hatte. An jenem Tag hatte Alder sie gründlich versohlt. Er hatte hart zugeschlagen, und seitdem hatten ihre Eltern weder mit ihm noch mit seiner Familie je wieder ein Wort gewechselt. Sie hatte das Ganze vergessen wollen. Nun aber, während sie geführt wurde, begriff sie, dass es gar kein falscher Alarm gewesen war. Sie hatte es bloß zu früh vorhergesehen. Allerdings waren die Angreifer in ihrer Vision Gefolgsleute eines Kriegsherrn, nicht die des Eiskönigs gewesen. Diese Erinnerung überfiel sie nun zum ersten Mal seit der Tracht Prügel, und sie fragte sich, was ihre Vorhersage tatsächlich bedeutet hatte. Sobald sie ein wenig Zeit und Ruhe hatte, würde sie versuchen, sich deutlicher daran zu erinnern.

Ash
    Als die Männer am zweiten Abend in die Höhlen gingen, um zu ihrem wahren Selbst zu kommen, blieb Rowan mit Ash und Flax zurück. Erst als Skink wieder auftauchte und Flax mitnahm, nackt und verängstigt, aber auch neugierig, sprach Rowan.
    »Er ist ein guter Sänger«, sagte er.
    Aha, dachte Ash. Deshalb ist er bei mir geblieben. Um ein Gespräch über das Thema »Flax wird sich uns anschließen« zu beginnen. Der Hunger ließ es ihm ein wenig schwindelig werden, was ihn irgendwie belustigte.
    »Ja«, sagte er. »Mama wird sich freuen wie ein Bärenjunges, das eine Bienenwabe erbeutet hat. Jetzt könnt ihr sämtliche Duette aufführen.« Er machte eine weit ausholende Geste. »All die schwierigen Sachen, die mehr als eine Stimme benötigen.« Er stellte fest, dass er das Wort »Lied« vermied, so wie er einen schmerzenden Finger schonen würde. Dies machte ihn traurig und wütend zugleich. »All die Lieder , die ihr nicht aufführen konntet, als ich noch bei euch war.«
    Rowan schaute auf seine Hände hinab und nestelte an der Flöte herum, die er überallhin mitnahm. »Ich würde nicht behaupten, dass mir der Gedanke nicht gekommen wäre«, sagte er. »Aber das ist es nicht, worüber ich mit dir sprechen möchte.«
    Er legte eine Pause ein, als warte er darauf, dass Ash ihm
mit einer Frage das Stichwort gab. Doch Ash blieb stumm. Rowan stieß einen Seufzer aus. »Wir haben dich vermisst«, sagte er.
    »Ich bin seit zwei Jahren weg«, sagte Ash. »Ihr wisst, wo Turvite liegt. Ihr hättet mich besuchen können.«
    »Das haben wir auch«, sagte Rowan. »Wir sind im vergangenen Winter zurückgekehrt, aber du warst schon weg, und Doronit hat uns keinerlei Auskunft gegeben. Wäre da nicht jemand namens Aelred gewesen, hätten wir nicht einmal erfahren, ob du tot oder lebendig bist. Er hat uns gesagt, dass du mit einer Frau namens Martine fortgegangen bist.«
    Das klang wie eine Frage.
    »Ja«, sagte Ash. Was sollte er sagen? Die ganze Geschichte erzählen - wozu Doronit ihn benutzt hatte, der Angriff auf Martines Leben, seine Entscheidung, alles, wofür Doronit stand, abzulehnen? Das war Vergangenheit, und es war zwecklos, sie sich noch einmal vor Augen zu führen. »Sie ist Elvas Mutter. Die Großmutter des kleinen Ash. Durch sie habe ich Elva und Mabry kennen gelernt.«
    Bei dem Wort »Großmutter« entspannte Rowan sich, da er sich zweifellos eine weißhaarige alte Tattergreisin vorstellte statt der schamlosen Verführerin, die er sich in seiner Phantasie ausgemalt hatte. Ash lächelte und dachte dabei an Martines schlichte Schönheit und die Gelegenheiten, bei denen er sich hatte zwingen müssen, sie nicht zu begehren.
    »Wenn du wieder von hier fortgehst«, sagte Rowan leise, »um die Lieder zu singen … willst du dann, dass ich mitkomme?«
    Vor Überraschung verschlug es Ash die Sprache. Das war etwas, das er sich nicht hatte vorstellen können. Als er zum ersten Mal die Macht seiner Deutungssteine

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