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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Blumen außer denen, die beiläufig am Rand der Straße wuchsen.
    Foreverfroze war überhaupt ein beiläufiger Ort. Grünäugige, hellhäutige Kinder rannten neben ihren Pferden her und riefen ihnen in einer lieblichen, singenden Sprache etwas zu; ihr schwarzes Haar war bei Jungen wie Mädchen gleichermaßen kurz geschnitten. Martine stellte fest, dass sie sich unter Menschen befand, welche exakt das gleiche Erscheinungsbild aufwiesen wie sie selbst: blasse Haut, grüne Augen, schwarzes, glattes Haar. Eine Welle der Erregung erfasste sie. Es gab also doch noch Orte, an denen das alte Blut lebte. Überlebt hatte. Sich fortgepflanzt hatte. Es schien ein ganzes Leben lang her zu sein, dass sie zum letzten Mal in einem Dorf der ihren gewesen war. War es zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Jahre her, dass die Zwillingsdörfer ihres Geburtsortes von den Männern des Eiskönigs zerstört worden waren? Sie hatte geglaubt, das alte Blut sei endgültig verjagt worden, in kleine Enklaven in den Domänen verstreut, schikaniert, vertrieben, betrogen und angespuckt. Sie hatte geglaubt, es gäbe für ihr Volk keinen Ruheplatz mehr. Aber hier waren sie und lebten einfach ihr Leben. Tränen traten ihr in die Augen, und ihr Herz fühlte sich heiß und eng an. Sie war froh darüber, dass die Stadt selbst sich von ihrer Heimat unterschied. Doch die Menschen in ihr sahen ihr so ähnlich, dass sie fast damit rechnete, Cob oder ihre Mutter oder eine ihrer vielen Tanten um eines der Dächer herum auf sich zukommen zu sehen.
    Stattdessen saßen Frauen in Gruppen neben den niedrigen Türeingängen ihrer Häuser und flochten Körbe; andere kümmerten sich um den Garten oder stillten ein Baby. Eine hob die Hand, als die Gesellschaft vorbeiritt. Gelegentlich nickte
ihnen eine der alten Frauen zu, die damit beschäftigt waren, Fischernetze zu flicken. Sie sahen lediglich eine einzige jüngere Frau. Diese war hochschwanger. Andernfalls, das wusste Martine, wäre auch sie mit den Fischerbooten draußen auf dem Meer gewesen.
    Während sie auf dem Pferd saß und über die Dachspitzen schaute, fiel Martine auf, dass es in dieser Stadt nichts gab, was größer war als ein erwachsener Mensch. Sie kam sich vor wie ein Riese und musste daran denken, wie sie mit Bramble im Schlepptau über den Obsidian Lake zurückgegangen war und sich ungeheuer groß gefühlt hatte, wie einer der alten Götter.
    Die Straße war in einem Halbkreis um die Häuser angelegt und endete an den Kais, die denen im Süden ähnelten. Große Boote hatten hier nicht festgemacht. Allerdings lagen draußen im Hafen eine ganze Reihe schmaler Ruderboote mit blauen Segeln. Martine sah, dass Netze zum Trocknen ausgebreitet worden waren. Das größte Gebäude in dem Halbkreis war eine Halle mit einem Eingang, der von Balken aus geschnitztem Holz getragen wurde - kostbar in dieser kargen Landschaft, in der Bäume selten waren und häufig verkümmerten.
    Einige wenige Männer und zwei ältere Frauen schlenderten herbei, um sie an der Tür zu begrüßen. Sie stiegen ab, und Holly nahm die Zügel, wobei sie sorgsam darauf bedacht war, Trines Zähnen aus dem Weg zu gehen. Einer der Männer gab ihr ein Zeichen, die Pferde an die Rückseite der Halle zu führen. Arvid schaute erst Safred und dann Martine an. Er schien mit sich zurate zu gehen, ob er die Führung übernehmen sollte oder nicht.
    »Skua, Fox, zum Gruße«, sagte er zu den älteren Frauen. Es war schwer, sie auseinanderzuhalten, denn sie waren beide runzlig, gebeugt und weißhaarig. Allerdings hatte Fox einen
entschlosseneren Mund, und Skuas Augen wiesen derart viele Lachfalten auf, dass sie fast verschwanden, als sie lächelte.
    Sie nickten erst ihm und dann dem Rest der Gesellschaft zu, wobei sie Martine interessiert musterten. Diese lächelte sie an, und Skua trat vor und tätschelte ihr die Wange und sagte etwas, das sie fast verstand. Es war, als hätte sie die Sprache ihrer Kindheit genommen und nur ein wenig verdreht. Der Rhythmus war richtig, einige der Silben auch, aber die Bedeutung entzog sich ihr.
    »Skua meint, du siehst aus wie eine der ihren«, sagte Arvid überrascht, als er die Ähnlichkeit bemerkte.
    Fox sagte etwas Ernstes.
    »Fox sagt, solange du lebst, wird das alte Blut nicht aussterben.«
    Martine erschauerte ein wenig. Das klang nach ihrem Geschmack zu sehr nach einer Prophezeiung.
    »Dann wollen wir hoffen, dass ich ewig lebe«, sagte sie leicht dahin. Ihre Reaktion machte deutlich, dass sie sie verstanden hatten,

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