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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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die einer Nachtigall. Sein Tenor hätte perfekt zur Sopranstimme von Ashs Mutter gepasst. In seinem Kopf hörte Ash seine Mutter die Worte singen, und sie verschmolzen so harmonisch mit der Schönheit von Flax’ Stimme, dass ihm die Tränen in die Augen traten.

    In ihm kam die unerträgliche Gewissheit von dem auf, was in der Tiefe geschehen würde. Sein Vater würde endlich den Sohn finden, der ihre Musik zur Vollendung brachte, der es ihnen erlaubte, all jene Lieder aufzuführen, die neben Flöte und Trommel zwei starke, makellose Stimmen benötigten. All die Diskanten, all die Harmonien, all die Kontrapunkte. Sogar die sentimentalen Duette, die beim Publikum in den Gasthöfen so beliebt waren, würden sie singen können, weil Flax ja nicht ihr Sohn war und deshalb nichts Unnatürliches daran war, dass er und Swallow gemeinsam Liebeslieder sangen.
    Ganz sicher würde er Flax alle Lieder beibringen.
    »Komm doch, sing mit«, sagte Flax vergnügt und begann mit der zweiten Strophe.
    Damit brachte er Ash fast zur Weißglut, und dieser musste gegen das Verlangen ankämpfen, Flax ins Gesicht zu schlagen, sich auf ihn zu stürzen, ihn vom Pferd zu reißen und ihm den Kopf so lange auf die Straße zu schmettern, bis er keine Stimme mehr hatte, die ihn quälen konnte. Dieses Verlangen erfüllte ihn, und das Einzige, was ihn davon abhielt, war die Erinnerung an das Versprechen gegenüber Zel, auf Flax aufzupassen. Mud blieb mitten auf der Straße stehen und zitterte ebenfalls. Ashs Finger umkrampften die Zügel. Es war nicht Flax’ Schuld, sagte er sich. Aber er musste jemanden haben, auf den er wütend sein konnte. Diese verdammten Götter!, dachte er schließlich und fand bei dieser Vorstellung endlich Erleichterung. Es schert sie nicht, wen sie mit ihrem Tun verletzen. Sie sind diejenigen, die uns zusammengeführt haben. Es ist ihre Schuld.
    Schwer atmend holte Ash Luft und stieß sie wieder aus. Dabei hörte er Doronits Stimme in seinem Kopf sagen: »Kontrolle. Eine Schutzwache muss die Kontrolle behalten.« Er holte ein zweites Mal Luft, ein drittes, ein viertes
Mal, und nun fühlte er sich ruhig genug, um zu sagen: »Ich singe nicht.«
    »Jeder singt doch!«, sagte Flax, doch als er Ashs Gesicht sah, war er verunsichert.
    Ash schüttelte den Kopf. »Ich nicht.«
    Flax schaute ihn mit sonderbaren Blicken an, unschlüssig, ob er ihm weitere Fragen stellen sollte.
    »Es ist gut, dass du Sänger bist«, sagte Ash mit gewaltiger Anstrengung. »Mein Vater kann dir beibringen, was du wissen musst.«
    Flax nickte und blieb zum Glück stumm. Während sie weiter den lang gezogenen Hang hinaufritten, der zu dem Berggrat führte, kam ihnen gelegentlich ein Pferdefuhrwerk oder ein Reiter entgegen. Ash wunderte sich noch darüber, dass die meisten Leute glaubten, es sei schwierig gewesen, gegen Sully und seinen Freund zu kämpfen, als diese versucht hatten, Bramble gefangen zu nehmen. Das war leicht gewesen, so leicht im Vergleich dazu, Flax nicht zu schlagen. Im Vergleich dazu, Flax seinem eigenen Vater zu übergeben und zu sagen: »Ich habe einen Sänger für dich gefunden.«
    Und das musste er tun. Weil er Zel ein Versprechen geleistet hatte. Dann fragte er sich, ob Zel ihm dafür dankbar sein würde, falls Flax eine Möglichkeit fand, ohne sie auf Wanderschaft zu gehen.

Flax’ Geschichte
    An jenem Abend vor zwei Jahren hat sich alles verändert. Wir waren schon ein Weilchen unterwegs, bevor ich etwas sagte. »Und du willst bestimmt nicht umkehren?«, fragte ich sie.
    Zel schüttelte den Kopf. »Nie mehr«, sagte sie so leise, dass ich sie kaum hören konnte. »Nie mehr dorthin zurück.«
    Tja, wir waren schon so lange miteinander gewandert, dass ich wusste, wann ich die Klappe zu halten hatte. Also schob ich den Rucksack ein wenig höher und fiel in Gleichschritt mit ihr.
    Immerhin war es ein schöner Abend, und es schadete nicht, im Licht des Neumonds zu wandern. Ich wünschte, ich hätte singen können, aber es waren damals noch drei Monate, bis mein Jahr um war. Es heißt, wenn ein Junge binnen eines Jahres nach seinem Stimmbruch singt, ist die Stimme für immer dahin. Das wollte ich nicht riskieren, um keinen Preis. Es ist schon schwer genug, ein ganzes Jahr nicht singen zu können - es hätte mich verrückt gemacht, wenn ich meine Musik auf immer und ewig verloren hätte. Also marschierten wir einfach weiter.
    Nach ein paar Kilometern meldete sich Zel. »Dort in der Korbweidenniederung in der Nähe des Flusses ist ein

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