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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Lebensjahr auf die eine oder andere Weise als Offizier, und dabei war er für die Sicherheit seiner Männer verantwortlich. So schwer wie jetzt hatte diese Bürde noch nie auf ihm gelastet. Hier ging es nicht um das Leben von Soldaten, sondern das von Stadtbewohnern … Durch eine Stadt zu reiten, in der jeder ihn anschaute, war wie am Beginn eines Jagdrennens, wenn die Reiter sich vor der Menschenmenge am Startplatz aufreihten. Er versuchte, das gleiche Hochgefühl zu empfinden, das die Rennen mit sich brachten, doch hier war der Einsatz bei Weitem zu hoch.
    Theoretisch wusste Leof, wie er mit dieser Situation umgehen musste. Er konnte nicht einfach stehen bleiben und
nach dem Haus des Sprechers fragen. Das sähe nach Schwäche aus, würde Thegan sagen. Also ritten sie zum Marktplatz, der direkt am Seeufer und an der Anlegestelle der Fähre lag. Es war irritierend, dass ein Platz in einer Stadt zu einer Seite hin offen war. Eine Seite, die ständig in Bewegung war und deren Oberfläche glänzte, während die Strömung das Wasser flussabwärts auf die hohen, nicht passierbaren Wasserfälle zutrieb, die in den Hidden River hinabstürzten. Die offene Seite ließ es Leof unbehaglich werden, als beobachte der See ihn, als bewege sich der Boden unter seinen Füßen.
    Er ließ seinen kleinen Trupp in der Mitte des Platzes anhalten und wartete einfach. Ein paar Minuten später stapfte eine dicke alte Frau mit schweren Schritten aus einem der Läden auf sie zu und baute sich vor ihm auf.
    »Ich bin die Sprecherin«, sagte sie nur. »Ich heiße Vi. Was können wir für euch tun?«
    Ihre Stimme war tief und irgendwie tröstlich, die Stimme der klugen alten Frauen aus den Geschichten, die an den Lagerfeuern erzählt wurden. Kluge alte Frauen sind manchmal Zauberinnen, erinnerte sich Leof. Er gab das Zeichen zum Absteigen, schwang sich von Thistle herab und reichte ihre Zügel einem der Männer, während er dem Pferd geistesabwesend die Flanke tätschelte.
    »Ich spreche für Lord Thegan«, sagte Leof förmlich und verbeugte sich. »Ich möchte in seinem Namen mit Euch sprechen.«
    Sie nickte und führte ihn in das Stoffgeschäft, aus dem sie hervorgetreten war. Eine Reihe von Städtern schaute ihnen hinterher. Vi sah sie an, als wolle sie sie dazu einladen, sich dem Gespräch anzuschließen, doch sie schüttelten den Kopf.
    »Am besten, du erledigst das, Vi«, rief einer. Sie nickte und duckte sich, bevor sie in das dunkle Innere des Ladens ging.
Hodge machte Anstalten, ihnen zu folgen, doch Leof bedeutete ihm, bei den Pferden zu warten. Glücklich wirkte Hodge nicht, aber er gehorchte. Leof entspannte sich ein wenig. Es war besser, bei dem Gespräch keine Zeugen dabeizuhaben.
    »Eine Versammlungshalle brauchen wir nicht«, sagte sie, während sie sich ihren Weg durch Stoffballen, Wollknäuel und einen Stapel gegerbter Schaffelle bahnte. »Wir halten unsere Versammlungen immer hier ab.«
    Der Raum hinter dem Laden war eine helle Küche, in der es nach Bratfisch roch und in deren Mittelpunkt ein großer, weiß gescheuerter Kiefernholztisch stand. Verunsichert blieb Leof stehen. Das Protokoll, das in der Festung eines Kriegsherrn galt, kannte er, nicht aber das, welches man in einer Küche einhalten musste!
    »Setz dich doch, Junge.« Vi lächelte gut gelaunt, als belustige sie seine Unsicherheit.
    Plötzlich musste Leof lachen. Feierlichkeit war ihm nicht angeboren, und Vis zwanglose Begrüßung gefiel ihm weit besser, als sie jedem anderen Offizier gefallen hätte. Lieber mit Humor und Weisheit verhandeln als mit Protokoll und Feindseligkeit. Er setzte sich nicht an den Kopf des Tisches, sondern an dessen Mitte, und Vi, als erkenne sie sein Taktgefühl an, setzte sich ihm gegenüber und schenkte ihnen beiden Tee aus einer Kanne ein, die dort gestanden hatte. Sie waren Gleichberechtigte. Als er sich Thegans Reaktion auf diese Situation ausmalte, verzog er die Mundwinkel. Diese Vorstellung ernüchterte ihn.
    Auf dem Weg in die Stadt war Leof ein Dutzend unterschiedlicher Möglichkeiten durchgegangen, wie er dieses Gespräch beginnen sollte. Nun aber verwarf er sie alle. Ihm war klar, dass Vi den Grund seines Kommens kannte.
    »Also denn, mein Junge«, sagte sie mit ihrer tiefen, tröstenden
Stimme. »Da sitzen wir also ganz schön in der Klemme.«
    »Er will die Stadt«, sagte er einfach. »Und er wird sie sich nehmen, wie es ihm zupasskommt. Wenn ihr euch widersetzt, tötet er euch alle. Keiner der anderen Kriegsherren wird

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