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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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guter Rastplatz«, sagte sie. »Dort legen wir uns hin.«
    Immer war es Zel, die darüber entschied, wo wir anhielten
und welches Ziel wir ansteuerten. Als ich noch klein war, nervte ich sie deswegen immer, aber mittlerweile weiß ich es besser. Wenn Zel erst einmal einen Weg eingeschlagen hat, kann nichts auf der Welt sie mehr davon abbringen. Kein Erdbeben und wohl nicht einmal der Tod, schätze ich. Um die Wahrheit zu sagen, habe ich sie nur deswegen genervt, weil ich der kleine Bruder war. Ich wusste nicht genug, um selbst eine Wahl zu treffen. Heute weiß ich mehr als sie damals, und das reicht, um zu erkennen, dass sie meist eine bessere Wahl trifft als ich.
    Aber dieses Mal hatte sie es nicht getan.
    Dieses Mal hat sie sich einer guten Sache verwehrt, und das, so glaube ich, meinetwegen.
    Ihr müsst wissen, da gab es diesen Mann in der letzten Stadt, durch die wir gekommen waren, Gardea, der hat sich Hals über Kopf in Zel verliebt. Er hing jeden Abend im Gasthof rum, wühlte in seinen Taschen nach Silber und klatschte heftig, wenn wir mit Jonglieren und Akrobatik fertig waren. O Mann, der war ganz hin und weg und schwebte über Zel wie eine Honigbiene über einer Blüte. Aegir hieß er. Ein Flickschuster.
    Tja, unsere Zel hat noch nie einem gut aussehenden Mann einen Korb gegeben. Also ging sie einen Abend mit ihm aus, zwei, dann drei, aber sie kam immer vor dem Morgen zurück und grinste dann zufrieden wie eine Katze.
    In der vierten Nacht kam sie hereingestürmt, trat das Stroh zu einem Haufen zusammen und warf sich so laut darauf, dass ich wusste, dass sie reden wollte. Eine Laterne hatten wir nicht - kaum ein Gastwirt überließ uns eine Laterne im Stall, aus Angst vor Feuer -, aber meine Augen waren an die Dunkelheit gewöhnt, sodass ich erkennen konnte, dass sie verärgert war.
    »Er will mich heiraten !«, sagte sie wütend und leise, als
wäre das eine Beleidigung, als hätten unsere eigenen Eltern nicht Recht daran getan zu heiraten, bevor sie uns bekamen.
    »Ich habe ihm gesagt: ›Du kennst mich doch gar nicht‹, und er lacht . Er lacht und sagt: ›Aber sicher kenne ich dich, Mädchen, von innen wie von außen.‹ Er hält sich für so klug!«
    »Und was hast du gesagt?«
    »Ich habe überhaupt nichts gesagt. Ich bin gleich aufgestanden und schnell zur Tür rausgegangen.«
    Sie richtete es sich zum Schlafen ein, als habe sie aufgehört, auch nur darüber nachzudenken. Doch ich konnte es nicht. Ich sah diesen Schuster vor mir, nichts begreifend, verwirrt irgendwo in der Dunkelheit liegend.
    Am nächsten Abend war er da und wartete nach der Vorstellung auf sie. Aber sie schob sich an ihm vorbei, als wäre er bloß Luft für sie, und wir schnappten uns unsere Rucksäcke und machten uns auf den Weg. Er folgte uns wie ein Entenküken seiner Mama, schüttelte den Kopf und versuchte, sie dazu zu bringen, mit ihm zu reden. Zel hielt den Mund und senkte den Blick, bis er zurückfiel, nach wie vor verständnislos mit dem Kopf schüttelnd.
    Was mich betrifft, glaube ich, dass sie geblieben wäre, wenn er nicht gesagt hätte, er kenne sie. Das mag sie nämlich nicht, gekannt zu werden, unsere Zel. Sie mag nicht, wenn Fremde wissen, was sie tut, sie mag nicht einmal, wenn jemand aus der Familie weiß, was sie denkt. Schon gar nicht ein Schuster aus einem Gasthof. Wenn er das nicht gesagt hätte, wäre sie vielleicht noch ein Weilchen geblieben.
    Lange nicht, denn sie ist ja eine Wanderin oder glaubt meinetwegen, sie müsse eine sein. Im Leben dieses Schusters war kein Platz für einen Bruder, der seinen Lebensunterhalt nur durch Jonglieren in den Gasthöfen verdienen kann.

    Sie weiß, dass ich es nicht aushalte, das ganze Jahr über in einer Stadt zu leben. Es war schon hart genug, im vergangenen Winter bei Mama und Papa wohnen zu müssen, weil ich mir ein lebensgefährliches Fieber zugezogen hatte und nicht auf Wanderschaft gehen konnte. Einen Frühling in geschlossenen Räumen würde ich nicht überleben. Aber ich glaube, dass sie deshalb so schnurstracks weggegangen ist, weil ein Teil von ihr dort bleiben wollte, bei diesem Schuster und dem schönen Federbett statt auf Stroh im Stall und bei mir. Vielleicht würde dieser Teil in ihr eines Tages stärker werden als der Teil, der auf Wanderschaft gehen will, dachte ich.
    Als wir an den Fluss bei der Korbweidenniederung gelangten, rasteten dort bereits Wanderer. Es war schon fast Monduntergang, und müde waren wir auch, also ging Zel einfach hinunter und

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