Die Hueterin der Krone
verschaffen.« Sie musterte die Männer ihrer Familie und erkannte, dass sie sie nie verstehen würden, geschweige denn verstehen wollten. Dass sie rangmäßig über ihnen stand und von ihnen das einzige von einem herrschenden Königspaar geborene Kind war, nötigte ihnen keine Bewunderung ab, sondern war nur ein Auslöser für Neid. Wäre sie ein Mann, könnte sie ohne Umschweife eine Diskussion beginnen. Doch obwohl sie eine Art Galionsfigur war, erwarteten sie von ihr weder einen Beitrag zu der Debatte noch, dass sie sich ein Schwert umschnallte und ein Kettenhemd überstreifte. Geoffrey war dank der zweitausend Mark, die Stephen ihm letztes Jahr gezahlt hatte, mit seiner verstärkten Armee hier und wollte mit Robert, und nicht mit ihr, über Kampftaktiken sprechen.
Trotzdem räusperte Matilda sich. »Ich habe Briefe an den Papst, meinen Onkel in Schottland und meine Stiefmutter aufgesetzt.« Sie hielt den neben ihrer rechten Hand liegenden Pergamentstapel hoch. »Wir müssen den Papst dahingehend beeinflussen, dass er seine Entscheidung bezüglich Stephens Anrecht auf die Krone widerruft. Ich werde in dieser Angelegenheit eng mit dem Bischof von Angers zusammenarbeiten, und Brian FitzCount verfasst eine Abhandlung aus weltlicher Sicht über meine Herrschaftsansprüche.«
»Aber wir brauchen mehr als nur Worte.« Geoffrey wandte sich an Robert. »Wird FitzCount so weit gehen, sich von Stephen loszusagen?«
»Ja«, erwiderte Matilda fest. »Das wird er.«
Robert nickte bekräftigend. »FitzCount wird helfen, wo er nur kann. Er lässt im Moment noch Vorsicht walten, aber sowie wir einen Fuß auf englischen Boden setzen, wird er sich auf unsere Seite stellen. Wallingford ist uns sicher. Miles FitzWalter hat angedeutet, gleichfalls überlaufen zu wollen, und dasselbe gilt für den Marschall John FitzGilbert. Er kontrolliert das Kennet Valley mit Marlborough und Ludgershall.«
Geoffrey musterte ihn scharf. »Verrate mir eins. Wenn Stephen sich als mustergültiger König erwiesen und dich reich belohnt hätte, wärst du dann heute auch hier?«
Robert errötete. »Ich bin nicht stolz darauf, dass ich meinem Vater und meiner Schwester gegenüber den Eid gebrochen habe; tatsächlich bedaure ich es tief, aber manchmal fallen auch die besten Absichten den Umständen zum Opfer. Ich dachte, es wäre Gottes Wille, aber ich habe mich geirrt.« Er sah Henry an, der von dem Stuhl gesprungen war und jetzt auf dem Boden mit seinem hölzernen Spielzeugritter spielte. »Ich werde nicht noch einmal zum Abtrünnigen.«
Die Gruppe versammelte sich rund um das Feuer, um ihre Pläne zu besprechen. Die Zeit für eine Invasion Englands war noch nicht reif, es gab noch viel vorzubereiten, und Verbündete mussten gewonnen werden, aber im nächsten Jahr rückte sie in den Bereich des Möglichen.
»Du sagst, dass du mit der Königinwitwe in Briefkontakt stehst«, wandte sich Robert an Matilda. »Wie ich hörte, hat sie sich in ein Kloster zurückgezogen und kümmert sich um Leprakranke.«
Matilda nickte. »Ja, aber das ist genauso wenig ihr einziger Lebensinhalt wie das Kloster Bec der meine.«
»Wohl eher doch, denn sie lebt ja mitten unter ihnen. Man hat mir nach dem Tod unseres Vaters sogar zugetragen, dass sie beabsichtigt, den Schleier zu nehmen.«
Matilda schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Das entspricht ganz und gar nicht der Wahrheit. Sie zeigt noch immer großes Interesse an Arundel und ihren anderen Landsitzen. Das einzige Problem besteht hierin.« Sie gab ihrem Bruder Adelizas letzten Brief. Dieser las ihn und reichte ihn mit geschürzten Lippen an Geoffrey weiter.
»D’Albini?« Geoffrey hob die Brauen.
»Sein Vater ist einer der königlichen Kämmerer und besitzt Ländereien in Norfolk, darunter auch die Burg in Buckenham«, erklärte Robert.
»Wird er sich bereitfinden, uns den Eid zu leisten?«
Robert runzelte die Stirn. »Ich weiß es nicht. Man muss bei ihm automatisch an einen großen, freundlichen Hund denken. Er ist intelligent, aber leicht zu durchschauen.«
»Und das heißt?«
»Dass ihm jegliche Art von Ränkeschmieden fremd ist. Ich würde sagen, er tut, was er tun muss, und hofft ansonsten auf ein ruhiges Leben. Aber ich schätze, er wird Stephen die Treue halten, und wenn er der Lord von Arundel wird, könnte das zu Schwierigkeiten führen.«
Matilda nagte an ihrer Lippe. Von ihrer kurzen Bekanntschaft mit William D’Albini wusste sie, dass er gutmütig und umgänglich war. Trotz seiner Größe
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