Die Hueterin der Krone
Glaubst du, Stephen wird tatenlos zusehen, wenn ich einwillige?«
»Aber es ist mein gutes Recht, sie hier aufzunehmen.«
Er schob sie abrupt von seinem Knie und stand auf. »Ich muss darüber nachdenken, weil ich für die Sicherheit aller verantwortlich bin.« Er fuhr sich durch das Haar und zerzauste die Locken, die sie gerade entwirrt hatte. »Wenn ich meine Zustimmung gebe, werde ich im selben Moment, wo sie hier eintrifft, einen Boten zum König schicken und ihm mitteilen, dass sie hier ist, das gebietet mir meine Pflicht. Ich dulde keine Listen und Geheimnisse.«
»Nein, Mylord.« Adeliza machte einen tiefen Knicks und senkte den Kopf. Sie wusste, dass sie gewonnen hatte, doch der Sieg hinterließ einen schalen Beigeschmack. Sie spielte eine Rolle, um einen Mann zu beeinflussen, der kein Schauspieler war, und sie kam sich vor, als betrüge sie ihn. Aber was blieb ihr anderes übrig? Will hatte Stephen den Lehnseid geschworen, und sie hatte Pflichten gegenüber Will, aber darüber hinaus bestanden ältere Loyalitäten und Schwüre, die auf die königliche Krone geleistet worden waren, und sie fielen stärker ins Gewicht.
31
Domfront, Normandie, September 1139
Matilda holte tief Atem, als sie sich vor dem kleinen Altar in ihrer Kammer von den Knien erhob und die Kerzen in den emaillierten Haltern ausblies. Dann wies sie die Diener an, alles abzubauen und das einzupacken, was sie für ihre Reise benötigte. Noch in dieser Stunde würde sie nach England aufbrechen, um um die Krone zu kämpfen, die ihr rechtmäßig zustand.
Sie ging zu dem Tisch neben dem abgezogenen Bett, nahm die Briefe, die sie kurz zuvor gelesen hatte, und verstaute sie in einem Ranzen, um sie später noch einmal gründlich zu studieren. Einer war von dem Burgvogt von Bristol, der ihr versicherte, dass alles für ihr und Roberts Eintreffen bereit war. Ein anderer stammte von Adeliza aus Arundel und enthielt die alles entscheidende Information, dass sie als Verwandte willkommen war, wenn sie sich entschied, sie zu besuchen. Und dann war da noch Brians Brief, in dem er ihr seine Unterstützung in Wallingford zusagte – wenn nötig, bis zum Tod. Seine Worte glichen einer starken Eisenstange, die ihr Rückgrat stützte und sie in ihrer Entschlossenheit bestärkte. Auch andere warteten darauf, sich ihr anzuschließen, sobald sie sicher in England angekommen war. Miles FitzWalter, der Burgvogt von Gloucester, Humphrey de Bohun, John FitzGilbert. Mit etwas Glück würden der Südwesten und das Grenzgebiet bald in ihrer Hand sein. Der Bischof von Winchester, ihr Vetter Henry, war zu gerissen, um irgendetwas schriftlich festzuhalten, und hatte einen Boten mit ein paar kryptischen Worten geschickt, die alles oder nichts bedeuten konnten. Er sprach von Versöhnung und der Rolle der Kirche als Vermittler. Matilda blieb argwöhnisch. Einem Mann, der seinem eigenen Bruder in den Rücken fiel, war nicht zu trauen.
»Dort kannst du nicht hin, du sitzt in der Falle«, sagte eine Kinderstimme.
Matilda drehte sich um und heftete den Blick auf ihren ältesten Sohn. Er saß am Fenster, spielte mit seinem Halbbruder Hamelin eine Partie Fuchs und Gänse und konzentrierte sich darauf, seinen Gegner zu schlagen. Bei seinem Anblick regte sich heftig ihr mütterlicher Stolz. Henry war in das Spiel vertieft, aber nicht völlig versunken, und beobachtete zugleich, was um ihn herum vorging. Für ein sechsjähriges Kind war das ein bemerkenswerter Zug, der sich noch ausprägen würde, wenn er heranwuchs, und das gab ihr Grund zu Optimismus. Außerdem war er hartnäckig, denn der ältere Hamelin war ein aufgeweckter Junge und entschlossen, nicht aufzugeben. Matilda musste schlucken, weil sich ihre Kehle zuschnürte. Vielleicht sah sie ihn nach diesem Morgen nie wieder, denn wer wusste, was geschah, wenn sie England erreichte. Sie hatte alle nur erdenklichen Vorkehrungen getroffen, damit während ihrer Abwesenheit für Henry und seine Brüder gesorgt war. Die besten Kinderfrauen zur Betreuung, die besten Pagen und Knappen als Gefährten. Ausgezeichnete Priester und Gelehrte, die ihre Bildung vervollständigen und sie auf den rechten Weg zu Gott führen sollten. Mehr konnte sie nicht tun, und doch verspürte sie eine nagende Furcht. Sie hatte sogar erwogen, in der Normandie zu bleiben und abzuwarten, bis diese als Erstes erobert wurde, aber sie wusste, dass sie in England Präsenz zeigen musste, bevor es zu spät war.
Geoffrey betrat die Kammer und blickte sich mit in
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