Die Hueterin der Krone
hört. Dann trat er zu der Wiege und blickte auf seine Tochter hinab, die bei seinem Aufbruch nach Lincoln noch nicht auf der Welt gewesen war. Wasser tropfte von seinen Haarspitzen auf ihre Windeln. Er beugte sich über sie und berührte mit dem Zeigefinger ihre Wange, woraufhin sie hungrig die Lippen spitzte und einen leisen Schrei ausstieß. Hinter der Wiege hielt eine Kinderfrau seinen Sohn an der Hand, der seinen Kitteln mittlerweile entwachsen war und die Miniaturversion einer Erwachsenentunika trug. Er starrte Will mit großen Augen an und nagte unsicher an seiner Unterlippe.
Will wandte sich abrupt ab und stapfte hinaus, wobei seine Schnürsenkel gefährlich hinter ihm herschleiften. Adeliza sah ihm verwirrt und besorgt nach. Dann nahm sie sich zusammen, griff nach ihrem an einem Wandhaken hängenden Umhang und lief ihm hinterher.
Will kniete in der Kapelle von Arundel vor dem Altar; er zitterte so stark, dass sein Magen schmerzte. Er fühlte sich elend, weil er wusste, dass er nicht hätte kommen sollen. Nach der Schlacht hatte er sich nach Buckenham zurückgezogen, um dort abzuwarten, wie sich die Dinge entwickelten. Nachrichten waren nur spärlich eingetroffen, aber was er erfahren hatte, war niederschmetternd. Die Kaiserin arbeitete unermüdlich daran, ihre Position zu festigen. Er hatte sich verzweifelt danach gesehnt, Adeliza zu sehen, war sich aber darüber im Klaren, dass sie aufgrund ihrer Sympathien für die Kaiserin ohne ihn besser imstande war, in Arundel Verhandlungen zu führen. Ihm selbst war der Boden unter den Füßen weggezogen worden, er fühlte sich machtlos, was ihn in seinen Augen zu einem nichtswürdigen Mann machte.
»Wenn ich mir ins Gesicht sehe, sehe ich nichts«, sagte er zu dem bemalten hölzernen Abbild der Jungfrau Maria mit Kind, das auf einem Marmorsockel neben dem Altar stand. »Ich weiß, dass du sowohl gibst als auch nimmst. Mein einziger Wunsch ist es, das Richtige zu tun, aber wie kann ich das, wenn ich nicht mehr weiß, was richtig ist und was nicht?«
»Mein Gemahl?«
Beim Klang von Adelizas Stimme fuhr er herum. »Lass mich allein«, sagte er. »Störe ich dich vielleicht beim Beten?«
Sie trat zu ihm, kniete neben ihm nieder und faltete die Hände. »Was auch immer geschehen ist und was noch kommen mag – keine Bürde ist so schwer, dass man sie Gott nicht anvertrauen könnte.«
»Habe ich mich so geirrt?«, fragte er nach einem Moment mit noch immer gesenktem Kopf. »Ich bin meinem Ehrgefühl gefolgt und habe mein Bestes getan, und nun bin ich verloren, weil mein Bestes nicht gut genug war. Ich komme mir vor, als fiele ich in ein tiefes schwarzes Loch, auf dessen Grund absolute Dunkelheit herrscht.«
»Das ist nicht wahr!« Es erschreckte sie, ihn so verzagt und niedergeschlagen zu sehen, wo er doch sonst immer so zuversichtlich und tatkräftig war. »So etwas darfst du nicht denken.« Ohne auf seine nassen Kleider zu achten, schlang sie beschützend die Arme um ihn. »Du bist und bleibst ein ehrenhafter, achtbarer Mann!«
Zitternd klammerte er sich an sie, und sie tröstete ihn wie ein Kind, bis er sich endlich von ihr löste und mit seinem Ärmel seine Augen betupfte. »Ich verdiene dich nicht«, sagte er heiser. »Ich habe dich nie verdient.«
»Still.« Adeliza küsste ihn auf die Wange und erhob sich. »Solche Worte sollten zwischen uns nicht fallen. Vertrau Gott an, was dich bedrückt, und bitte Ihn um Hilfe und Vergebung, und dann nimm ein Bad, iss und schlaf dich aus. Morgen ist noch Zeit genug, um zu entscheiden, was zu tun ist.«
Nachdem sie gegangen war, faltete Will die Hände, senkte erneut den Kopf und versuchte sich auf die lächelnde Jungfrau in ihrem blauen Gewand zu konzentrieren, konnte aber an nichts anderes als an sein Versagen denken.
»Warum hast du mich geheiratet?«
Adeliza sah Will an. Er war grau vor Kälte, am ganzen Körper schlotternd und barfuß, mit seinen Stiefeln in der Hand aus der Kapelle gekommen. Sie hatte dafür gesorgt, dass er trockene, warme Kleider anzog, eine Schale mit Hammel- und Gersteneintopf aß und ihn mit heißem, gewürztem Wein hinunterspülte. Allmählich war die Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt, und seine Augen hatten nicht mehr diesen gequälten Ausdruck. Sie hatte ihre Dienerinnen weggeschickt, und sie waren allein. Die Vorhänge waren zugezogen und das Feuer beinahe heruntergebrannt. Teri, sein Lieblingshund, stellte sich auf die Hinterbeine und schnüffelte an der fast leeren Eintopfschale.
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