Die Hueterin der Krone
nach Oxford zurück, wo sie prunkvoll Hof hielt, um nicht mehr an die in London erlittene Demütigung denken zu müssen. Sie veranstaltete in der großen Halle formelle Bankette und trug zu jeder Mahlzeit und beim Abwickeln ihrer Geschäfte ihre Krone. Sie ernannte Männer zu Earls und verteilte großzügig Titel und Ehrungen, obwohl sie nicht viel Geld und Macht hatte. Sie tat so, als stünde sie einem Königshof vor, aber tief in ihrem Inneren, wo sie weich und verletzlich war, nagten Frust und Kummer an ihr. Es kam zu einigen heftigen Auseinandersetzungen mit Bischof Henry, der dem Debakel in London aus dem Weg gegangen war. Matilda vermutete, dass er vorgewarnt worden war oder gar seine Hände im Spiel gehabt hatte. Er war nach Winchester geritten, und was er dort vielleicht ausheckte, beunruhigte sie zutiefst. Im Namen von Stephens Frau und ihrem ältesten Sohn war er vor kurzem an den Hof gekommen und hatte Matilda gebeten, den Anspruch des Jungen auf die Ländereien seines Vaters anzuerkennen. Matilda hatte immer noch die Wunden ihrer Flucht aus London geleckt und unter ihrer Monatsblutung gelitten, die ihr Krämpfe und Kopfschmerzen bescherte, und die aalglatten Ausführungen des Bischofs hatten das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie hatte die Bitte rundweg abgeschlagen und wütend befohlen, Stephen in Bristol in Ketten zu legen. Bischof Henry war seinerseits wutschnaubend abgereist und hatte sich allen Aufforderungen widersetzt, an den Hof zurückzukehren.
Ende Juni traf eine Abordnung von Angevinern in Oxford ein, die Geoffrey ihr zur Unterstützung geschickt hatte und die von seinem engen Freund Juhel de Mayenne angeführt wurde. Matilda hieß die Gruppe herzlich willkommen, war aber auf der Hut, denn obwohl sie die zusätzlichen Männer gut brauchen konnte, bedeutete ihre Ankunft, dass Geoffreys Einfluss an ihrem Hof stark gewachsen war. Dennoch freute sie sich über Juhels Bericht über Geoffreys Erfolge in der Normandie.
»Seit sich die Nachricht von Stephens Gefangennahme verbreitet hat, treffen täglich normannische Barone ein, um mit dem Grafen von Anjou über Friedensbedingungen zu verhandeln«, teilte er ihr mit. »Stephens Machtposition ist schwach, und jeder Tag bringt uns neue Anhänger.«
Auch de Mayennes Bericht über ihre Söhne wärmte ihr Herz. »Sie wachsen rasch heran, Herrin«, sagte er. »Der junge Lord Henry setzt seinem Vater immer noch zu, ihn doch nach England reisen zu lassen. Er wäre mit uns gesegelt, wenn er eine Gelegenheit dazu gefunden hätte. Es hätte mich nicht überrascht, ihn in einem Gepäckkarren zu finden.« De Mayenne lächelte. »Euer Sohn brennt so sehr darauf, auf dem Thron zu sitzen und über England zu herrschen, dass Ihr wohl bald einen Rivalen in der eigenen Familie habt. Und so klug und gewitzt, wie er ist, könnte ihm gelingen, was er sich in den Kopf gesetzt hat.«
Bei diesen Worten strahlte Matilda vor Stolz. »Aber er dürfte noch nicht groß genug sein«, sagte sie. Es tat gut zu spüren, wie sich ihre Lebensgeister beim Gedanken an ihre Kinder belebten. »Und was ist mit meinen anderen Söhnen?«
»Sie sind kräftig und gesund, Herrin, obwohl ich Master Geoffrey selten gesehen habe, da er ja bei Zieheltern lebt. Aber er soll im Unterricht und seiner Kriegerausbildung gute Fortschritte machen, und der Graf ist zufrieden mit ihm. Lord William lernt rasch und kann schon lesen.«
Matilda biss sich auf die Lippe. Als sie nach England aufgebrochen war, war William kaum seinen Kitteln entwachsen und seine Händchen noch pummelig vor Babyspreck gewesen, und nun erhielt er bereits Schulunterricht. Auch wenn der Kampf für ihre Zukunft keine Zeitverschwendung war, hätte sie die Zeit auch anders nutzen und das Heranwachsen ihrer Söhne mitverfolgen und ihre Entwicklung überwachen können, und diese Erkenntnis erfüllte sie mit Kummer und Bitterkeit.
An einem schwülen, gewittrigen Augustnachmittag traf Waleran de Meulan in Oxford ein, um sich zu unterwerfen. Matilda reagierte auf seine Bitte um eine Audienz interessiert, aber mit einem zynischen Lächeln. Er war einer von Stephens treuesten Anhängern gewesen, auch wenn er in Lincoln vom Schlachtfeld geflohen war. Viele ihrer Anhänger hatten aufgrund der Machenschaften von Waleran und seinem Bruder Robert die Seite gewechselt. Es war, als hätte jemand eine Schlange in ihre private Kammer geworfen.
Sie vertauschte ihr Alltagsgewand mit einem aus blauer Seide und bat die Zofen, ihr die Blumenkrone auf
Weitere Kostenlose Bücher