Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
Vom Netzwerk:
den Schleier zu setzen. Dann ließ sie sich ihr Zepter bringen und steckte den Ring ihres Vaters an den Mittelfinger ihrer rechten Hand. In der großen Halle nahm sie ihren Platz auf dem mächtigen Stuhl auf dem Podest ein, auf dem sie zu sitzen und Urteile zu verkünden pflegte. Zu beiden Seiten standen bronzene Löwen, und die Wand dahinter war mit golddurchwirkter roter, mit goldenen Leoparden bestickter Seide bespannt. Erst dann ließ sie de Meulan hereinführen.
    Als er die Halle betrat, erhöhte sich die Spannung merklich. Er stolzierte noch immer so großspurig herein, als gehöre ihm die Welt. Matilda musterte ihn mit schmalen Augen und dachte, wie leicht es doch wäre, ihm das Zepter in sein verräterisches Herz zu rammen.
    Der neben ihrem Thron stehende de Mayenne murmelte:
    »Ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich Euch zu ergeben, Herrin. Euer Mann steht kurz davor, seine Ländereien in der Normandie einzunehmen.«
    Als de Meulan niederkniete, stieg ein Gefühl rachsüchtigen Triumphs in Matilda auf. »Wie ich sehe, habt Ihr Euch in das Unausweichliche gefügt und seid gekommen, um mir die Treue zu schwören«, begann sie hoheitsvoll und bedeutete ihm, sich wieder zu erheben.
    »Herrin, ich bin hier, um Euch meine Dienste anzubieten«, erwiderte er, blickte aber mit harten grünen Augen zu ihr auf.
    »Wie Ihr es schon früher getan habt?« Sie umfasste die Armlehnen ihres Stuhls. »Drei Mal habt Ihr mir einen Eid geleistet, und nach dem Tod meines Vaters seid Ihr wortbrüchig geworden. Warum sollte ich Euch jetzt trauen und Gnade walten lassen?«
    »Weil ich Euch in England keinen Widerstand mehr leisten werde. Weil ich schwören werde, in der Normandie Euer Vasall zu sein und für Euren Sohn zu kämpfen.« Er sprach mit weithin vernehmlicher Stimme, in der keinerlei Unterwürfigkeit mitschwang. »Weil ich ein nüchtern denkender Mensch bin. Wenn ich weiterhin die Königin und Stephen unterstütze, verliere ich mein Land in der Normandie, und meine geplünderten und niedergebrannten englischen Landsitze sind keine Entschädigung dafür. In der Normandie werde ich für Euch von unschätzbarem Wert sein.«
    »Ihr seid hier, weil Eure Position in England unhaltbar geworden ist«, versetzte sie eisig.
    Er ließ sich nicht beirren. »Ich bin hier, um einen Handel abzuschließen. Ob Ihr darauf eingeht oder nicht, liegt bei Euch, aber sogar meine Feinde hier dürften Euch dazu raten, obwohl«, fügte er mit leicht verächtlich gekräuselten Lippen hinzu, »Ihr es wahrscheinlich vorzieht, ihre Ratschläge in den Wind zu schlagen.« Sein Gesichtsausdruck und seine Körpersprache besagten, dass er auf ihre allgemein bekannte Widerspenstigkeit anspielte.
    »Warum sollte ich etwas dagegen haben, Euch loszuwerden?«, gab sie zurück. »An kaum etwas fände ich größeren Gefallen, Mylord. Was ist eigentlich mit Eurem Bruder? Wie passt er in Eure Pläne?«
    »Er wird in England bleiben, auf seinen Landsitzen, und Stephen die Treue halten.« De Meulan spreizte die Hände. »Eine vernünftige Interessenstrennung.«
    Matilda hätte ihn am liebsten auf der Stelle aufknüpfen lassen, aber de Meulans Worte ergaben einen Sinn. Es verdross sie zutiefst, dass er erst zu ihr übergelaufen war, nachdem Geoffrey Verstärkung geschickt hatte, weil es vielen so erscheinen würde, als respektiere er Geoffreys Autorität mehr als ihre – was er vermutlich auch bezweckt hatte. Trotzdem … wenn sie dieses Problem jetzt löste, blieb ihr Zeit, notfalls mit dem Bischof von Winchester abzurechnen. Auch Waleran war dies bewusst, und sie verabscheute ihn umso mehr, weil er nicht verlieren konnte, egal was geschah.
    »Nun gut«, sagte sie. »Unter diesen Umständen akzeptiere ich Euch als Vasallen. Zu schade, dass Ihr Euren Bruder nicht gleich mitgebracht habt, aber das wäre wohl zu viel verlangt gewesen.«
    Meulan verbeugte sich. »In der Tat, Herrin«, erwiderte er glatt.
    Sowie de Meulan gegangen war, zog sich Matilda in ihre Kam mer zurück, um ihre Krone abzunehmen und ein weniger prunkvolles Gewand anzulegen. Sie hatte de Meulan nicht eingeladen, am Hof zu bleiben. Draußen tobte ein heftiges Unwetter. Hoffentlich wurde er bis auf die Haut durchnässt und zog sich eine Lungenentzündung zu.
    Matilda presste einen Moment lang die Hände auf das Gesicht. Draußen zog das Gewitter nach Westen ab, und der Duft nach frischem Grün stieg ihr in die Nase. Eigentlich hätte de Meulans Kapitulation ihr Auftrieb geben müssen, aber ihr

Weitere Kostenlose Bücher