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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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Würfelschach vorschlug.
    Sie versuchte, die Falle zu erkennen, die er ihr zu stellen gedachte. Denk voraus. Denk immer voraus. Seine Ausbildung bei Master Adelard war umfassend und darauf ausgerichtet, ihn zu einem König zu formen, der imstande war, England und die Normandie so zu regieren wie ihr Vater. Sie war zu der bitteren, aber unausweichlichen Einsicht gelangt, dass sie ungeachtet, was Männer ihr geschworen hatten, nie Königin von England wurde, weil Männer es letztendlich nicht über sich brachten, sich einer Frau zu unterwerfen. Aber eine Frau konnte immer noch im Verborgenen Macht ausüben. Sie zog ihre Dame vor, um Henrys Läufer zu blockieren. Das würde ihm Stoff zum Nachdenken geben. Seltsam, dass Damen beim Schach so viel Macht hatten und Könige nicht.
    Das Jahr war von Vorstößen und Rückzügen, von Erfolgen und Rückschlägen beherrscht gewesen. Ihre Mittel gingen allmählich zur Neige, aber zumindest konnte sie sicher sein, dass der harte Kern der Männer, die zu ihr hielten, sie nicht im Stich ließ. Der Tod von Papst Innozenz im September war ihr zu Hilfe gekommen, weil der Bischof von Winchester nicht länger das Amt des Legaten bekleidete. Und mit einem neuen, ihr gewogeneren Papst war der Weg für erneute Verhandlungen über den rechtmäßigen Anwärter auf die Krone Englands frei.
    Henry beugte sich diesmal länger grübelnd über das Brett, seine Augen waren schmal geworden, und er umfasste mit einer Hand sein Kinn. Sie war mit seinen Fortschritten überaus zufrieden. Als er nach England gekommen war, hatte er kaum einen Moment stillsitzen können, aber inzwischen vermochte er sich zu konzentrieren, wenn man ihm eine Aufgabe stellte, die intensives Nachdenken erforderte – jedenfalls eine Zeitlang.
    Endlich machte er seinen Zug, schob seinen Turm schwungvoll über das Brett und baute dabei anscheinend etwas von seiner angestauten Energie ab. Matilda setzte zum Gegenzug an, den Henry offenbar vorhergesehen hatte, denn er rückte sofort sein Pferd vor. Seine grauen Augen blitzten. Wieder erkannte sie die Falle, aber diesmal gab es kein Entkommen. Sie war nur noch wenige Züge von einer Niederlage entfernt.
    »Sehr schlau«, sagte sie und lachte. »Ich gestehe dir den Sieg zu – aber er hat dich einiges Kopfzerbrechen gekostet, nicht wahr?«
    Henry grinste. »Ja, aber ich denke gerne nach. Und ich gewinne gerne.«
    »Das kann man wohl sagen.« Der Drang, andere auszustechen, loderte in ihrem Sohn so hell wie sein Haar und war ebenso gefördert worden wie die Fähigkeit, sich auf ein Ziel zu konzentrieren und zugleich drohende Gefahren im Auge zu behalten. »Aber du musst auf Niederlagen gefasst sein und dich darauf vorbereiten.«
    »Das sagt Papa auch.«
    »Dein Vater ist ein weiser Mann«, erwiderte Matilda diplomatisch, stand auf, trat zum Fenster und blickte in die Winterlandschaft hinaus. Sie tauschte sich mit Geoffrey oft brieflich über die Lage in der Normandie und über ihre Söhne aus, aber sie verspürte keine emotionale Bindung mehr an ihn. Die lange Trennung hatte die verzehrende, aber unwiderstehliche körperliche Begierde ausgelöscht. Mit dem Verblassen dieses dunklen Verlangens waren auch andere Gefühle abgestorben. Sie hasste ihn nicht mehr, sondern empfand ihm gegenüber Gleichgültigkeit, sie benötigte ihn nur wegen seiner militärischen Fähigkeiten und seines diplomatischen Geschicks. Henry hatte zwar Züge von Geoffrey, aber für Matilda zählte das königliche Blut der Normandie und Englands. Henry war der Sohn einer Kaiserin und der Enkel eines großen Königs. Das Blut seines Vaters war nicht von Bedeutung – zumindest in diesem Punkt hatte ihr Vater Recht gehabt.
    Henry erhob sich gleichfalls, gesellte sich zu ihr und zog die kalte, feuchte Luft ein.
    »Eines Tages wird das alles dir gehören.« Sie legte den Arm um seine schmalen Schultern. »Du musst so weise darüber herrschen wie dein Großvater und Namensvetter und sein Vater vor ihm, den Gott einst hierher geführt hat. Gott hat bestimmt, dass du dieses Land ohne Falschheit und demütig regieren, immer zu seinem Besten handeln und stets Gerechtigkeit walten lassen sollst. Du hast eine schwere Lektion zu lernen und musst eine große Verantwortung auf dich nehmen.«
    »Ich weiß, Mutter.« Er schob das Kinn vor. »Ich werde als König herrschen, bis ich sterbe, und nichts und niemand wird mich davon abhalten.« Sie lächelte angesichts des Ernstes in seiner Stimme und zerzauste sein Haar. Er war noch

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